§ 9 SGB IX: Vorrangige Prüfung von Leistungen zur Teilhabe
veröffentlicht am |
20.08.2019 |
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Änderung | Neu aufgenommen (BTHG) |
Stand | 08.01.2018 |
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Erstellungsgrundlage | in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23.12.2016 in Kraft getreten am 01.01.2018 |
Rechtsgrundlage | |
Version | 001.00 |
Inhalt der Regelung
Die Vorschrift entspricht der bisherigen Regelung zum Vorrang von Leistungen zur Teilhabe vor anderen Sozialleistungen.
Sie verdeutlicht in Absatz 1 den Vorrang von Leistungen zur Teilhabe und stellt klar, dass bei allen Sozialleistungen wegen einer Behinderung alle Möglichkeiten zu positiven Entwicklungsprozessen zu nutzen sind. Dabei wirken die Rehabilitationsträger gegebenenfalls auf eine Antragstellung durch die Betroffenen hin und koordinieren untereinander die Leistungserbringung.
Absatz 2 der Vorschrift konkretisiert die generelle Regelung im Hinblick auf Rentenleistungen und verdeutlicht den auch im Leistungsrecht der Rentenversicherung festgelegten Grundsatz "Reha vor Rente".
Nach Absatz 3 soll durch Leistungen zur Teilhabe auch Pflegebedürftigkeit entgegengewirkt werden.
Absatz 4 erweitert die Regelung des Absatzes 1 mit Wirkung für die Jobcenter und die von dort üblicherweise betreuten Personenkreise.
Ergänzende/korrespondierende Regelungen
Die Vorschrift greift den im Leistungsrecht der gesetzlichen Rentenversicherung verankerten Grundsatz "Reha vor Rente" (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) auf.
Sie steht zugleich in Beziehung zu den Regelungen zur Rentenantragsfiktion, die im Gegenzug in bestimmten Fällen erwerbsgeminderte Reha-Antragsteller vor den Folgen einer verspäteten Rentenantragstellung bewahrt (§ 99 Abs. 1 SGB VI).
Anzuwendendes Recht
Nach § 301 Abs. 1 S. 1 SGB VI sind für Leistungen zur Teilhabe jeweils bis zu deren Ende die Vorschriften weiter anzuwenden, die im Zeitpunkt der Antragstellung oder, wenn den Leistungen ein Antrag nicht vorausging, der Inanspruchnahme galten.
Es gilt somit grundsätzlich das am Tag der rechtswirksamen Antragstellung maßgebende Recht, und zwar sowohl hinsichtlich der Antragsprüfung (Zuständigkeitsklärung, konkrete Bedarfsfeststellung, Fristen und Anspruchsvoraussetzungen), als auch hinsichtlich der Leistungserbringung.
Rehabilitation vor Rente
Der Vorrang von Leistungen zur Teilhabe vor anderen Sozialleistungen (insbesondere unterhaltssichernden Leistungen wie Rente) gilt für alle Rehabilitationsträger, die solche Leistungen aus gesundheitlichen Gründen zu erbringen haben.
Rentenleistungen kommen demnach nur in Betracht, wenn vorherige Teilhabeleistungen insofern erfolglos waren oder voraussichtlich sein werden, als sie die Inanspruchnahme von Rentenleistungen nicht zu verhindern vermochten oder vermögen.
Der Grundsatz "Reha vor Rente" bezieht sich im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung auch auf die Beurteilung eines gegebenenfalls vorhandenen Restleistungsvermögens und dessen Verbesserung oder Erhaltung. Leistungen zur Teilhabe können also auch bei bereits vorliegender teilweiser Erwerbsminderung in Betracht kommen, um diese zu beseitigen oder eine Verschlechterung der Erwerbsfähigkeit zu verhindern.
Leistungen zur Teilhabe während Rentenbezugs
Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB IX ist auch während eines Rentenbezugs gegebenenfalls mit Nachuntersuchungen zu prüfen, ob die weitere Rentenzahlung durch Leistungen zur Teilhabe vermieden oder verringert werden kann.
Dabei ist beispielsweise der Rentenversicherungsträger für Leistungen zur Teilhabe auch dann zuständig, wenn diese bei Beziehern einer vollen Erwerbsminderungsrente zwar nicht zu einer unmittelbaren Wiedereingliederung in das Erwerbsleben führen, sich andererseits jedoch durch eine medizinische Rehabilitation die Chancen für eine spätere Wiederaufnahme einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (prognostisch zu betrachtender Zeitraum: bis zu 3 Jahre) voraussichtlich verbessern lassen.
So erfolgt beispielsweise eine Weiterleitung des Rehabilitationsantrages an die gesetzliche Krankenversicherung nur dann, wenn nach sozialmedizinischer Beurteilung eine Wiedereingliederung in den Erwerbsprozess innerhalb des vorgenannten Zeitraumes voraussichtlich nicht zu erwarten ist.
Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) |
Inkrafttreten: 01.01.2018 Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/9522 |
Das Bundesteilhabegesetz stellt im Wesentlichen eine weitreichende Überarbeitung des SGB IX dar. Die bisherigen Regelungen wurden neu geordnet und ergänzt. Neue Regelungen zur umfassenden Bedarfsfeststellung und Teilhabeplanung wurden aufgenommen.
Der Regelungsgehalt des § 9 SGB IX neuer Fassung entspricht dabei weitgehend dem des § 8 SGB IX alter Fassung.