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§ 2 SGB IX: Begriffsbestimmungen

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

Korrektur Schreibfehler

Dokumentdaten
Stand14.08.2018
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen vom 23.12.2016 in Kraft getreten am 01.01.2018
Rechtsgrundlage

§ 2 SGB IX

Version001.00
Schlüsselwörter
  • 1414

Inhalt der Regelung

§ 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX definiert den Begriff der Behinderung für das SGB IX. Ob bei Vorliegen einer Behinderung auch die für den Rehabilitationsträger jeweils geltenden Leistungsvoraussetzungen erfüllt sind, richtet sich gemäß § 7 SGB IX unverändert nach den für den Rehabilitationsträger geltenden Leistungsvoraussetzungen.

Behinderung

Die Neufassung des Behinderungsbegriffs entspricht dem Verständnis der UN-Behindertenrechtskonvention. Menschen mit Behinderungen haben langfristige körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen, die sie in Wechselwirkung mit verschiedenen Barrieren an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern können. Nach dem Wechselwirkungsansatz manifestiert sich die Behinderung erst durch gestörte oder nicht entwickelte Interaktion zwischen dem Individuum und seiner materiellen und sozialen Umwelt. Dabei stoßen Menschen mit Behinderungen nicht nur auf bauliche und technische Barrieren, sondern auch auf kommunikative Barrieren und andere Vorurteile. Zu den einstellungsbedingten Barrieren gehören vor allem Vorurteile oder Ängste, die Menschen mit Behinderungen beeinträchtigen. Zu den umweltbedingten Barrieren gehören vor allem bauliche Barrieren wie ein barrierefreier Zugang zum öffentlichen Personennahverkehr und zu öffentlichen und privaten Gebäuden. Zum Beispiel werden Menschen mit Lernschwierigkeiten wegen des mangelnden Gebrauchs leichter Sprache im Alltag an der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gehindert. Die UN-Behindertenrechtskonvention stützt ihr Verständnis von Behinderung wesentlich auf die ICF (International Classification of Functioning, Disability and Health; Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) der WHO. Die ICF definiert in ihrem bio-psycho-sozialen Modell Behinderung ebenfalls als Ergebnis der Wechselwirkung zwischen Gesundheitsproblemen und den personen- und umweltbezogenen Kontextfaktoren. Das Bundesteilhabegesetz hat den Behinderungsbegriff zur Rechtsklarheit durch die Inbezugnahme der Wechselwirkung zwischen der Beeinträchtigung und den Umweltfaktoren deklaratorisch an die UN-Behindertenrechtskonvention angepasst.

Der Hinweis auf die Sinnesbeeinträchtigung führt nicht zu einer Ausweitung des Behinderungsbegriffs, denn er ist dem Wortlaut der UN-Behindertenrechtskonvention nachgebildet und wurde bereits bisher nach geltendem Recht unter die körperliche Funktion subsumiert. Die Änderung dient der Rechtsklarheit. Sie soll das Bewusstsein für das Verständnis von Behinderung im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention weiter schärfen und die Rechtsanwendung in der Praxis unterstützen.

Weiterhin wird in Satz 2 daran festgehalten, dass eine Beeinträchtigung nur vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. Damit soll ausgeschlossen werden, dass zum Beispiel altersbedingte Erkrankungen in der Regel als Behinderung anerkannt werden. Die Zweistufigkeit des Behinderungsbegriffs wird weiterhin aufrecht gehalten, nach der eine mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate andauernde Abweichung vom alterstypischen Zustand vorliegen muss, aus der eine Beeinträchtigung der Teilhabe resultiert. Offensichtlich vorübergehende Störungen werden damit ausgeschlossen. Pflegebedürftigkeit, auch im Sinne von §§ 14 und 15 SGB XI, gilt nicht als alterstypischer Zustand nach Absatz 1 Satz 2. Deshalb findet kein grundsätzlicher Ausschluss Pflegebedürftiger von Teilhabeleistungen statt.

Liegt zwar eine Behinderung im Sinne dieser Definition vor, ist in einem zweiten Schritt die Frage zu klären, ob von der Rentenversicherung Leistungen zur Teilhabe erbracht werden können. Indem § 2 SGB IX den Begriff der Behinderung definiert, werden noch keine unmittelbaren Leistungsansprüche im Einzelfall begründet. Deren Voraussetzungen richten sich vorrangig nach dem speziellen Leistungsgesetz, also dem SGB VI für die gesetzliche Rentenversicherung. Damit bleibt es dabei, dass Rehabilitationsleistungen der Rentenversicherung nur solche Versicherten erhalten, bei denen aufgrund von gesundheitlichen Beeinträchtigungen eine Gefährdung der Erwerbsfähigkeit droht oder gesundheitliche Beeinträchtigungen bereits zu einer Minderung oder einem Verlust der Erwerbsfähigkeit geführt haben (§ 10 SGB VI). Im Ergebnis besteht kein Zweifel, dass bei Personen, welche die Voraussetzungen der Leistungen zur Teilhabe durch die Rentenversicherung erfüllen, über § 2 SGB IX die Regelungen des SGB IX Anwendung finden.

Absatz 1 Satz 3 enthält eine Bestimmung des Kreises der Personen, die nach dem Neunten Buch als „von Behinderung bedroht“ anzusehen sind. Eine generelle Gleichstellung der von Behinderung bedrohten mit den Menschen mit Behinderung ist im Rahmen des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht möglich, da eine Reihe von Leistungen und sonstigen Hilfen nur bei eingetretener Behinderung erbracht werden; durch die Fassung der einschlägigen Leistungsvorschriften ist sichergestellt, dass sich hierdurch die Rechtsposition der von Behinderung bedrohten Menschen nicht ändert.

Ob eine Behinderung oder eine drohende Behinderung vorliegt, wird individuell und in gleicher Weise wie andere Anspruchsvoraussetzungen bei der Entscheidung über die Leistungen und sonstigen Hilfen, die aufgrund der (drohenden) Behinderung erbracht werden, durch den zuständigen Rehabilitationsträger festgestellt. Einbezogen sind damit auch chronisch kranke sowie suchtkranke Menschen, soweit bei Ihnen die jeweiligen Voraussetzungen gegeben sind. Soweit für einzelne Bereiche gesonderte Regelungen bei den Leistungsvoraussetzungen erforderlich sind, bauen sie auf § 2 SGB IX auf.

Für die Leistungsvoraussetzungen in der Rentenversicherung gilt nach § 7 SGB IX nach wie vor § 10 SGB VI.

Eine förmliche Feststellung der Behinderung und ihres Grades nach § 152 SGB IX ist nur für die besonderen Hilfen zur Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben und für die Nachteilsausgleiche nach Teil 3 des Neunten Buches von Bedeutung, wenn die Schwerbehinderung nicht offensichtlich ist.

Schwerbehinderung

Die begriffliche Abgrenzung der schwerbehinderten Menschen in Absatz 2 baut auf Absatz 1 auf, stellt jedoch zusätzlich auf eine erhebliche Schwere der Behinderung ab. Die Absätze 2 und 3 übertragen inhaltsgleich die früheren Regelungen des § 1 SchwbG und des § 2 Abs. 1 SchwbG. Infolgedessen bleiben die Feststellungsbescheide der für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden unbeschadet terminlogischer Änderungen (anstelle „Schwerbehinderter“ „schwerbehinderter Mensch“) weiterhin wirksam. Es bleibt auch bei der Klarstellung der Rechtsprechung, dass gewöhnlicher Aufenthalt im Sinne des Absatzes 2 auch bei Asylbewerbern und geduldeten Ausländern vorliegt, wenn besondere Umstände ergeben, dass sie sich auf unbestimmte Zeit in Deutschland aufhalten.

Gesetz zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234)

Inkrafttreten: hier 01.01.2018

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 18/9522

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 2 SGB IX