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§ 43 SGB VI: Rente wegen Erwerbsminderung

Änderungsdienst
veröffentlicht am

29.01.2024

Änderung

Ergänzungen aufgrund des neuen § 43 Abs. 7 SGB VI, Anpassungen im Abschnitt 10 wegen des angehobenen Mindestlohns sowie Besonderheiten bei Erwerbstätigkeiten im Ausland

Dokumentdaten
Stand18.01.2024
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Gesetzes zur Anpassung des Zwölften und des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Gesetze vom 28.12.2023, in Kraft getreten am 01.01.2024
Rechtsgrundlage

§ 43 SGB VI

Version006.00

Inhalt der Regelung

Nach Absatz 1 und Absatz 2 besteht Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung, wenn Versicherte

die Regelaltersgrenze (vergleiche GRA zu § 35 SGB VI und GRA zu § 235 SGB VI) noch nicht erreicht haben,

  • teilweise beziehungsweise voll erwerbsgemindert sind,
  • vor Eintritt der teilweisen beziehungsweise vollen Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben und
  • entweder
    • in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der teilweisen beziehungsweise vollen Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben oder
    • die teilweise beziehungsweise volle Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, der zur vorzeitigen Wartezeiterfüllung führt oder
    • die Voraussetzungen des § 241 Abs. 2 SGB VI vorliegen (Belegung mit Anwartschaftserhaltungszeiten).

Absatz 3 bestimmt, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein kann.

Die Absätze 4 und 5 beinhalten nähere Regelungen zu der Anspruchsvoraussetzung 'in den letzten fünf Jahren 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit'.

Absatz 6 regelt die besondere Rente wegen voller Erwerbsminderung nach Erfüllung der Wartezeit von 20 Jahren an Versicherte, die bei Eintritt der vollen Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit nicht - auch nicht vorzeitig - erfüllt haben.

Nach Absatz 7 besteht bei einer Ausübung einer Erwerbstätigkeit, deren Umfang das der Rentengewährung zugrundeliegende zeitliche Leistungsvermögen überschreitet, für einen Zeitraum von regelmäßig 6 Monaten ab Beginn der Ausübung weiterhin Anspruch auf die gewährte Rente (Arbeitserprobung).

Ergänzende und korrespondierende Regelungen

  • §§ 35, 235 SGB VI
    In §§ 35, 235 SGB VI ist die Regelaltersgrenze definiert. Wegen weiterer Einzelheiten siehe GRA zu § 35 SGB VI und GRA zu § 235 SGB VI.
  • §§ 96a, 313 SGB VI
    Erzielen Versicherte neben der Rente wegen Erwerbsminderung einen Hinzuverdienst, regeln §§ 96a, 313 SGB VI, ob die Rente noch in voller oder nur noch in teilweiser oder anteiliger Höhe gezahlt werden kann (vergleiche GRA zu § 96a SGB VI, GRA zu § 313 SGB VI). Voraussetzung für eine weitere Rentenzahlung ist jedoch, dass die jeweilige Erwerbsminderung weiter vorliegt (siehe Abschnitt 10).
  • § 100 Abs. 3 SGB VI
    § 100 Abs. 3 SGB VI regelt den Zeitpunkt des Wegfalls der Rente beim Entfallen der Anspruchsvoraussetzungen (vergleiche GRA zu § 100 SGB VI).
  • § 102 SGB VI
    Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ist grundsätzlich zu befristen. Die Zahlung einer Dauerrente kommt nur in Betracht, wenn es unwahrscheinlich ist, dass die Leistungsminderung behoben werden kann. Eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, die von der Arbeitsmarktlage abhängig ist, ist stets als befristete Rente zu leisten (vergleiche GRA zu § 102 SGB VI).
  • §§ 103, 104 SGB VI
    Nach §§ 103, 104 SGB VI ist eine Zahlung der Rente wegen Erwerbsminderung ganz oder teilweise nicht möglich, wenn die Erwerbsminderung absichtlich herbeigeführt wurde oder Ergebnis einer Straftat ist (vergleiche GRA zu § 103 SGB VI, GRA zu § 104 SGB VI).
  • § 109a Abs. 2 und 3 SGB VI
    Nach § 109a Abs. 2 SGB VI ist auf Ersuchen der Grundsicherungsträger festzustellen, ob bei Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet und keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung haben, volle Erwerbsminderung auf Dauer vorliegt. Nach § 109a Abs. 3 SGB VI in Verbindung mit § 44a Abs. 1 S. 5 SGB II haben die Rentenversicherungsträger die Aufgabe, gutachterliche Stellungnahmen zur Erwerbsfähigkeit im Sinne von § 8 SGB II von hilfebedürftigen Personen abzugeben (vergleiche GRA zu § 109a SGB VI)
  • § 115 Abs. 3 S. 1 SGB VI
    Haben Versicherte bei Erreichen der Regelaltersgrenze eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit bezogen, ist anschließend eine Regelaltersrente zu leisten (vergleiche GRA zu § 115 SGB VI).
  • § 116 Abs. 2 und 3 SGB VI
    Ist ein Erfolg von Leistungen zur Teilhabe nicht zu erwarten oder führten die Leistungen zur Teilhabe nicht zum gewünschten Erfolg, gilt der Antrag auf Leistungen zur Teilhabe gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI als Rentenantrag. § 116 Abs. 3 SGB VI regelt die Erfüllungsfiktion, wenn nachträglich für einen Zeitraum, in dem Übergangsgeld gezahlt worden ist, ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung festgestellt wird. Wegen weiterer Einzelheiten siehe GRA zu § 116 SGB VI.
  • § 240 SGB VI
    Als Sonderregelung zu § 43 Abs. 1 SGB VI bestimmt § 240 SGB VI, dass bei vor dem 02.01.1961 geborenen Versicherten bereits das Vorliegen von Berufsunfähigkeit den Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auslösen kann (vergleiche GRA zu § 240 SGB VI).
  • § 241 SGB VI
    Als Sonderregelung zu § 43 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 SGB VI bestimmt § 241 Abs. 2 SGB VI, dass die Anspruchsvoraussetzung 'in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit' nicht erfüllt sein muss, wenn vor dem 01.01.1984 die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt war und die Zeit ab Januar 1984 mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt ist oder wenn die Erwerbsminderung vor dem 01.01.1984 eingetreten ist (vergleiche GRA zu § 241 SGB VI).
  • § 302a SGB VI
    Für Versicherte, die am 31.12.1991 einen Anspruch auf eine nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets berechnete Invalidenrente oder eine Bergmannsinvalidenrente hatten und die am 30.06.2017 als Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder als Rente wegen Berufsunfähigkeit geleistet wurde, gilt diese Rente ab 01.07.2017 als Rente wegen voller Erwerbsminderung (vergleiche GRA zu § 302a SGB VI).
  • § 302b SGB VI
    Für Versicherte, die am 31.12.2000 einen Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit hatten, die am 30.06.2017 weiterhin geleistet wurde, gilt diese Rente bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze als Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung mit dem bisherigen Rentenartfaktor, solange Berufsunfähigkeit oder teilweise Erwerbsminderung oder Berufsunfähigkeit im Sinne von § 240 Abs. 2 SGB VI vorliegt.
    Für Versicherte, die am 31.12.2000 Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit hatten, die am 30.06.2017 weiterhin geleistet wurde, gilt diese Rente bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze als Rente wegen voller Erwerbsminderung, solange Erwerbsunfähigkeit oder volle Erwerbsminderung vorliegt.
    Wegen weiterer Einzelheiten siehe GRA zu § 302b SGB VI.

Vorliegen von Erwerbsminderung

Die zeitliche Leistungsfähigkeit muss unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes verwertbar sein. Die subjektive Zumutbarkeit einer Tätigkeit unter dem Gesichtspunkt der Ausbildung/des Status der bisherigen beruflichen Tätigkeit sowie die Frage, ob der Versicherte bisher abhängig beschäftigt oder selbständig erwerbstätig war, sind dabei ohne rechtliche Bedeutung.

Der allgemeine Arbeitsmarkt umfasst jede nur denkbare Tätigkeit. Dabei kommen nur Tätigkeiten in Betracht, die auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt üblich sind und die mit den vorhandenen Kenntnissen und Fähigkeiten ausgeübt werden können. Tätigkeiten, für die es einen Arbeitsmarkt schlechthin nicht gibt, sind nicht in Betracht zu ziehen.

Grundsätzlich ist hierbei der gesamte Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland in Betracht zu ziehen. Kann der Versicherte dagegen nur noch eine Teilzeitbeschäftigung ausüben - hiervon ist bei einem quantitativen Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden täglich auszugehen -, ist für ihn nur der regionale Arbeitsmarkt maßgebend, das heißt, für ihn kommt es allein auf die Arbeitsgelegenheiten an, die er durch tägliches Pendeln von seiner Wohnung aus erreichen kann (GS vom 10.11.1976, BSGE 43, 75 ff.).

Übliche Bedingungen

Der Begriff „übliche Bedingungen“ des allgemeinen Arbeitsmarktes hat seinen Ursprung im AFG und wird seit 01.04.2012 im SGB III (§ 138 Abs. 5 Nr. 1 SGB III in der Fassung seit 01.04.2012, § 119 Abs. 5 Nr. 1 SGB III in der Fassung bis 31.03.2012) geregelt.

Unter den „üblichen Bedingungen“ des allgemeinen Arbeitsmarktes im Sinne des § 43 SGB VI ist nach der Rechtsprechung des BSG (aktuell: Urteile BSG vom 19.10.2011, AZ: B 13 R 78/09 R, und BSG vom 09.05.2012, AZ: B 5 R 68/11 R) das tatsächliche Geschehen auf dem Arbeitsmarkt und in den Betrieben zu verstehen, das heißt, unter welchen Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt die Entgelterzielung üblicherweise tatsächlich erfolgt. Hierzu gehören sowohl rechtliche Bedingungen, wie etwa Dauer und Verteilung der Arbeitszeit, Pausen- und Urlaubsregelungen, Beachtung von Arbeitsschutzvorschriften sowie gesetzliche und tarifvertragliche Vorschriften als auch tatsächliche Umstände, wie zum Beispiel die für die Ausübung einer Verweisungstätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz.

Üblich sind Bedingungen, wenn sie nicht nur in Einzel- oder Ausnahmefällen anzutreffen sind, sondern in nennenswertem Umfang und in beachtlicher Zahl. Da bisher keine „gefestigte“ Rechtsprechung zum Begriff des nennenswerten Umfangs vorliegt - im Bereich der Arbeitslosenversicherung wurden zwanzig in Betracht kommende Arbeitsplätze als „üblich“ anerkannt (Urteil des BSG vom 20.06.1978, AZ: 7 RAr 45/77) -, sind die Umstände des Einzelfalls maßgebend. Damit fallen solche Arbeitsverhältnisse aus der Betrachtung heraus, die sich dem Angebots- und Nachfragemechanismus des Arbeitsmarktes entziehen. In diese Kategorie fallen zum Beispiel die sogenannten Schonarbeitsplätze, die lediglich leistungsgeminderten Betriebsangehörigen vorbehalten sind beziehungsweise für diese nach den individuellen Bedürfnissen eigens eingerichtet werden. Solche Arbeitsverhältnisse werden nicht abgeschlossen, sondern sie bestehen in Form der Weiterführung des bisherigen Arbeitsverhältnisses zu unveränderten Bedingungen (zum Beispiel Besitzstandswahrung/Verdienstsicherung) oder infolge der Zustimmung zu einer Änderungskündigung fort.

Versicherten mit mindestens 6-stündigem Leistungsvermögen unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes muss grundsätzlich keine Verweisungstätigkeit konkret benannt werden; der Arbeitsmarkt gilt als offen (sogenannte abstrakte Betrachtungsweise). Die Erwerbsfähigkeit ist jedoch stets daran zu messen, ob Arbeitsplätze vorhanden sind, die den Versicherten noch die Möglichkeit zur Erzielung von Erwerbseinkommen bieten.

Zusätzliche Einschränkungen, wie zum Beispiel

  • vom Arbeitszeitgesetz abweichende Ruhepausen (zusätzliche betriebsunübliche Pausen),
  • besonders einzurichtende Arbeitsplätze und andere,

können für sich allein Zweifel an der Erwerbsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes begründen. Bestehen zudem aufgrund der festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen ernste Zweifel daran, dass es Arbeitsplätze gibt, die mit dem attestierten Leistungsvermögen noch ausgeübt werden können, ist die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit geboten („atypische Fälle“, siehe Abschnitt 3.1.2).

Zusätzliche betriebsunübliche Pausen

Im Sinne des § 43 Abs. 1 SGB VI erwerbsgeminderte Versicherte haben, da sie nur noch unter 6 Stunden/täglich erwerbstätig sein können, keinen Anspruch auf eine Ruhepause nach § 4 Arbeitszeitgesetz.

Ruhepausen sind Arbeitsunterbrechungen von mindestens 15 Minuten Dauer. Nach § 4 Arbeitszeitgesetz betragen die im Voraus festgelegten Ruhepausen bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 bis zu 9 Stunden mindestens 30 Minuten. Wird insgesamt mehr als 9 Stunden gearbeitet, ist die Arbeitszeit für 45 Minuten zu unterbrechen. Die Ruhepausen können in Zeitabschnitte von jeweils 15 Minuten aufgeteilt werden.

Für Arbeitnehmer günstigere Ruhepausenregelungen können zum Beispiel in Tarifverträgen oder Betriebsvereinbarungen (Kollektivverträgen) geregelt sein.

Ruhepausen sind keine Arbeitszeit und sie werden daher nicht bezahlt. Während der Ruhepausen haben Arbeitnehmer Anspruch auf Erholung von der Arbeit. Arbeitgeber können Arbeitnehmer - abgesehen von besonderen, kurzfristig eingetretenen Umständen - nicht zur Erbringung von Arbeitsleistungen heranziehen.

Sollten von den im Arbeitszeitgesetz vorgesehenen Regelungen abweichende - zusätzliche - Ruhepausen erforderlich sein, ist die Erwerbsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht von vornherein zu verneinen. Es besteht dann aber grundsätzlich die Verpflichtung, zumindest eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen und darzulegen, dass Arbeitsverhältnisse zu diesen Bedingungen in beachtlicher Zahl eingegangen werden (siehe Abschnitt 2). Damit wird die Gefahr der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes widerlegt (sogenannte konkrete Betrachtungsweise).

Die konkrete Benennung ist dann nicht erforderlich, wenn Versicherte einen Arbeitsplatz mit den erforderlichen abweichenden Bedingungen tatsächlich innehaben.

Werden aufgrund des Gesundheitszustandes Kurzpausen für erforderlich gehalten (zum Beispiel zur Einnahme einer Zwischenmahlzeit bei Diabetikern, häufiger Toilettengang bei Morbus Crohn), erfolgt gelegentlich der Hinweis auf die Inanspruchnahme der persönlichen Verteilzeit. Hierbei ist Folgendes zu beachten:

Verteilzeiten sind Bestandteil von Vorgabezeiten (Soll-Zeiten für die vorgegebene quantitative und qualitative Erledigung der Arbeitsaufgabe). Verteilzeitzuschläge werden zum Beispiel durch eine (REFA -) Verteilzeitstudie ermittelt. Sie sind von der Struktur und Organisation des Betriebes abhängig und werden daher in unterschiedlicher Höhe angesetzt. Differenziert wird zwischen sachlichen (zum Beispiel allgemeine Rüstzeiten zum täglichen Einrichten und Aufräumen des Arbeitsplatzes, Materialbeschaffung, Datensicherung) und persönlichen Verteilzeiten (zum Beispiel Besprechungen und Rücksprachen in persönlichen Angelegenheiten wie Urlaub, Krankheit, Zeit zur Verrichtung persönlicher Bedürfnisse).

Im gewerblichen Bereich werden üblicherweise 5 % von der Grundzeit (Tätigkeitszeit plus Ablauf bedingte Unterbrechung) als persönliche Verteilzeit vereinbart. Wird in Bürobereichen mit Leistungsvorgaben gearbeitet, müssen persönliche Verteilzeiten bei der Vorgabeermittlung ebenso berücksichtigt werden. Anderenfalls sind persönliche Verteilzeiten nicht gesondert vereinbart. Die Zeit für persönliche Bedürfnisse gehört dann als 'stille Übung' zur täglichen Büropraxis. Bei der Ermittlung des zahlenmäßigen Kapazitätsbedarfs (Personen) im Bürobereich wird der nötige zeitliche Auftragsbedarf als Ergebnis aus der Summe aller Arbeitszeiten zuzüglich 10 bis 20 % Verteilzeiten errechnet; sie beinhalten dann den sachlichen und persönlichen Anteil.

Auf die Inanspruchnahme von persönlichen Verteilzeiten besteht kein Rechtsanspruch. Sie sind lediglich eine Rechengröße, die als Zuschlag zur Sollzeit angesetzt wird, um unter Berücksichtigung der sozialen Belange und persönlichen Bedürfnisse der Mitarbeiter/-innen einen störungsfreien Arbeitsablauf zu gewährleisten. Die Akzeptanz dieser - bezahlten - Kurzpausen, die über die Zeit zur Verrichtung der persönlichen Bedürfnisse deutlich hinausgeht, ist unter anderem abhängig von der Größe und vom Wirtschaftsbereich des Unternehmens. Sie wird dort ihre Grenze finden, wo eine Ausweitung der persönlichen Verteilzeit zur - rechtswidrigen - Ruhepause erfolgt.

Die Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit geht unter anderem davon aus, dass die Einnahme einer Zwischenmahlzeit außerhalb der nach dem Arbeitszeitgesetz zustehenden Ruhepausen im Rahmen der persönlichen Verteilzeit möglich ist (Bayerisches LSG vom 11.02.2004, AZ: L 13 RA 47/03), und jedem Arbeitgeber die Beschäftigung von Arbeitnehmern zuzumuten ist, die wegen Durchfalls alle zwei Stunden, gelegentlich auch jede Stunde, die Toilette aufsuchen müssen (Thüringer LSG vom 06.06.2012, AZ: L 12 R 773/07; Hessisches LSG vom 20.12.2012, AZ: L 5 R 553/11, nicht veröffentlicht) oder die bei Bedarf die Möglichkeit haben müssen, eine solche zu erreichen (LSG Rheinland-Pfalz vom 29.06.2011, AZ: L 4 R 376/10; LSG Hamburg vom 20.11.2013, AZ: L 2 R 170/09, nicht veröffentlicht).

Kollektivvertragliche Vereinbarungen können Regelungen über - bezahlte - Erholungspausen (Arbeitsunterbrechungen) beinhalten, die nur bestimmte Arbeitnehmergruppen (zum Beispiel Leistungslöhner, Mitarbeiter/-innen in der rechnergestützten Textverarbeitung) oder Betriebsteile betreffen. Diese Arbeitsunterbrechungen sollen zum Beispiel durch Monotonie hervorgerufene Arbeitsermüdungen kompensieren (zum Beispiel 5 Minuten/Stunde oder 10 Minuten/2 Stunden). Die Entscheidung über die Verteilung dieser Erholungspausen kann allerdings auch in der Zuständigkeit der Arbeitsgruppen liegen, sodass in dieser Hinsicht Abweichungen von den in Kollektivverträgen festgelegten Bestimmungen möglich sind.

Bei sonstigen erholungswirksamen Zeitabschnitten (zum Beispiel infolge technischer Störungen), die ebenfalls entlohnt werden, können Arbeitgeber den Arbeitnehmern andere Arbeiten zuweisen.

Besonders einzurichtende Arbeitsplätze

Für Versicherte, die mindestens 6 Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein können, gilt der Arbeitsmarkt grundsätzlich als offen (sogenannte abstrakte Betrachtungsweise). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt allenfalls dann in Betracht, wenn Versicherte nach ihrem Gesundheitszustand zwar an sich noch mindestens 6 Stunden tätig sein können, sie aber nicht in der Lage sind, eine Beschäftigung unter den in Betrieben regelmäßig üblichen Arbeitsbedingungen zu verrichten (siehe Abschnitt 3.1.2).

In diesem Fall ist den Versicherten zumindest eine Verweisungstätigkeit konkret zu benennen, die sie mit der verbliebenen Leistungsfähigkeit noch auszufüllen vermögen (sogenannte konkrete Betrachtungsweise). Hierdurch wird die Gefahr der praktischen Verschlossenheit des Arbeitsmarktes widerlegt. Diese Tätigkeit muss in nicht unerheblicher Zahl - frei oder besetzt - auf dem Arbeitsmarkt vorhanden sein. Von einer nicht unerheblichen Zahl ist auszugehen, wenn die Tätigkeit zum Beispiel in Tarifverträgen erfasst ist.

Ist das attestierte Leistungsvermögen beispielsweise nur an einem besonders eingerichteten Arbeitsplatz in eine Erwerbstätigkeit umzusetzen, fehlt es an der Erwerbsfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Die konkrete Benennung einer Verweisungstätigkeit ist nur dann nicht erforderlich, wenn Versicherte einen besonders eingerichteten Arbeitsplatz tatsächlich innehaben und auch keine Arbeitsunfähigkeit vorliegt.

Unter besonders einzurichtenden Arbeitsplätzen ist zu verstehen, dass über die im Allgemeinen übliche Ausstattung, die den technischen Regeln entspricht, hinausgehende Hilfen erforderlich sind, ohne die eine wettbewerbsfähige Arbeitsleistung nicht erbracht werden könnte (zum Beispiel spezielle orthopädische Bürostühle, besondere technische Hör- oder Sehhilfen).

Wird eine besondere Arbeitsplatzausstattung erforderlich, ist vor Bescheiderteilung zu prüfen, ob durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 9 Abs. 1 S. 3 SGB VI in Verbindung mit § 49 Abs. 3 SGB IX) der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung abgewendet werden kann.

Ursache der Erwerbsminderung

Für die Beurteilung der Einschränkung des Leistungsvermögens sind allein gesundheitliche Gründe (Krankheit oder Behinderung) maßgebend. Andere leistungsmindernde Ursachen (zum Beispiel Lebensalter) sind dagegen nicht zu beachten.

Analphabetismus, der nicht auf einer gesundheitlichen Störung oder einer Minderbegabung beruht, ist als Bildungsdefizit zu werten und erfüllt weder den Tatbestand der Krankheit noch den der Behinderung. Nach der Legaldefinition des § 43 SGB VI kommen jedoch nur Krankheit oder Behinderung, also ein regelwidriger Gesundheitszustand, als Erwerbsminderung auslösende Ursachen in Betracht. Diese, bisher bereits von den Rentenversicherungsträgern vertretene Auffassung wurde durch Urteil des BSG vom 09.05.2012, AZ: B 5 R 68/11 R, bestätigt. Dennoch ist im Hinblick auf die bisherige BSG-Rechtsprechung (BSG vom 04.11.1998, AZ: B 13 RJ 13/98 R, BSG vom 10.12.2003, AZ: B 5 RJ 64/02 R) Analphabetismus in den Fällen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder schwerer spezifischer Leistungsbehinderung bei der Benennung einer Verweisungstätigkeit zu berücksichtigen. Das BSG macht hierzu in seinem Urteil BSG vom 09.05.2012, AZ: B 5 R 68/11 R, zwar keine konkreten Aussagen, jedoch führt es aus, dass es erforderlich sei, dass der Versicherte die für die Verweisungstätigkeit notwendigen fachlichen Qualifikationen und überfachlichen Schlüsselkompetenzen besitzt oder innerhalb von drei Monaten erlernen kann.

Die Unterbringung im Maßregelvollzug nach § 63 StGB sah das BSG als die überragende und damit allein wesentliche Ursache dafür an, dass der Versicherte nicht mehr unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann. Da mithin nicht die Krankheit, sondern die Gefährlichkeit des Versicherten zur Unterbringung und damit Unfähigkeit, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten, führt, besteht der erforderliche wesentliche Zusammenhang zwischen Krankheit (oder Behinderung) und Erwerbsminderung nicht (BSG vom 25.05.2018, AZ: B 13 R 30/17 R).

Dauer der Erwerbsminderung

Die Einschränkung des Leistungsvermögens in einem rentenrechtlich relevanten Ausmaß muss auf nicht absehbare Zeit vorliegen. Entsprechend der Regelung des § 101 Abs. 1 SGB VI ist hierunter - in Abgrenzung zum (bloßen) Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung - ein Zeitraum von mindestens 6 Monaten zu verstehen. War die Leistungseinschränkung vor Ablauf dieser Frist wieder behoben, ist ein - auch zeitlich befristeter - Anspruch nach § 43 SGB VI nicht entstanden.

Feststellung der Erwerbsminderung

Die Feststellung der Erwerbsfähigkeit umfasst die Bestimmung des qualitativen/quantitativen Leistungsvermögens unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes und gegebenenfalls die Beurteilung des zeitlichen (quantitativen) Umfangs, in dem die letzte berufliche Tätigkeit ausgeübt werden kann.

Letzte berufliche Tätigkeit ist grundsätzlich die Beschäftigung, die vor der Rentenantragstellung ausgeübt wurde beziehungsweise die Tätigkeit, die zurzeit tatsächlich verrichtet wird. Die Leistungsfähigkeit in der letzten beruflichen Tätigkeit ist im Rahmen des § 43 SGB VI relevant, soweit ein Beschäftigungsverhältnis noch besteht und das Leistungsvermögen noch mindestens 3 bis unter 6 Stunden beträgt.

Auswirkungen qualitativer Leistungseinschränkungen

Grundlage für das gesundheitliche Leistungsvermögen ist das sozialmedizinisch festgestellte positive/negative (qualitative) Leistungsbild bezogen auf die körperliche, geistige, psychische Belastbarkeit abgestellt auf die zumutbare tägliche Arbeitszeit für eine 5-Tage-Woche.

Eingeschränkte Wegefähigkeit

Die Ausübung einer Tätigkeit zum Zwecke des Gelderwerbs ist im Allgemeinen nur außerhalb der Wohnung möglich. Daher gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen. Hierfür muss, unter Berücksichtigung aller Mobilitätshilfen (zum Beispiel Gehstock, Kraftfahrzeug) ein Minimum an Mobilität vorhanden sein. Der Eintritt des Leistungsfalls der vollen Erwerbsminderung kann somit vom Vorhandensein dieser Mobilität abhängen. Bei der eingeschränkten Wegefähigkeit handelt es sich nach herrschender Rechtsauffassung nicht um einen Sachverhalt, der zur „Verschlossenheit des Arbeitsmarktes“ führt. Volle Erwerbsminderung liegt vielmehr allein aufgrund eines medizinischen Sachverhaltes vor.

Im Normalfall ist davon auszugehen, dass für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstelle öffentliche Verkehrsmittel benutzt werden. Demzufolge sind Fußwege nötig, um von der Wohnung aus das Verkehrsmittel und vom Verkehrsmittel aus die Arbeitsstelle zu erreichen. Entsprechende Wegstrecken sind für den Heimweg anzusetzen, sodass die Gehfähigkeit viermal am Tag gefordert wird. Ferner müssen zweimal täglich während der Hauptverkehrszeit öffentliche Verkehrsmittel genutzt werden können.

Bei der Beurteilung der Mobilität ist auf allgemeine, für alle gleichermaßen geltende Kriterien abzustellen. Das BSG hat deshalb für die Bestimmung der erforderlichen Fußwegstrecke, die täglich viermal zurückzulegen ist, einen generalisierenden Maßstab angesetzt. Hiernach wird aufgrund allgemeiner Erfahrungen generell eine Fähigkeit für erforderlich gehalten, Entfernungen von über 500 m zu Fuß zurückzulegen. Ohne Belang ist jedoch die besondere Beschaffenheit eines konkreten Weges (zum Beispiel Unebenheiten, Steigungen, Glatteis).

Das Vorliegen von voller Erwerbsminderung lässt sich nur dadurch widerlegen, dass der Versicherte einen seinem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz innehat, den er mit der ihm möglichen Wegstrecke tatsächlich erreicht, oder dass ihm ein solcher Arbeitsplatz konkret angeboten wird.

Die Zumutbarkeit derartiger Fußwege richtet sich zunächst nach allgemeinen medizinischen Kriterien. Treten etwa beim Gehen auch unter Verwendung von Hilfsmitteln (zum Beispiel Gehstützen) erhebliche Schmerzen auf, sind übermäßige körperliche Anstrengungen erforderlich oder wird die Gesundheit in besonderer Weise gefährdet, ist die Zumutbarkeit zu verneinen.

Zudem kann die Zumutbarkeitsgrenze auch durch die für die Zurücklegung der Wegstrecke erforderliche Zeit überschritten werden. Für den Zeitfaktor hat das BSG ebenfalls einen generalisierenden Maßstab angesetzt. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG unter anderem Urteile BSG vom 30.01.2002, AZ: B 5 RJ 36/01 R, und BSG vom 12.12.2011, AZ: B 13 R 21/10 R, AZ: B 13 R 79/11 R) ist dies der Fall, wenn Wegstrecken von über 500 Meter viermal täglich mit einem zumutbaren Zeitaufwand, das heißt, jeweils innerhalb von 20 Minuten, zu Fuß nicht mehr bewältigt werden können.

Wurde für die Wegstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstelle bisher das eigene Kraftfahrzeug benutzt oder steht ein Kraftfahrzeug zur eigenen Benutzung für den Weg zur und von der Arbeit zur Verfügung, sind diese Versicherten auf dieses Verkehrsmittel zu verweisen, sofern sie im Besitz der erforderlichen Fahrerlaubnis sind und keine gesundheitlichen Bedenken bestehen.

Kommt die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel aus gesundheitlichen Gründen nicht in Betracht und steht kein Kraftfahrzeug zur Verfügung, ist die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe (Übernahme von Fahrkosten) zu prüfen.

Zur Abwendung eines Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung für in der Wegefähigkeit eingeschränkte Versicherte ohne eigenes geeignetes Kfz soll nach dem Grundsatz „Rehabilitation vor Rente“ bereits während des Rentenverfahrens geprüft werden, ob eine Gewährung von Teilhabeleistungen in Betracht kommt (siehe AGEM 1/2007, TOP 2, AGEM 1/2009, TOP 9.2). Das Urteil des BSG vom 14.03.2002, AZ: B 13 RJ 25/01 R und BSG vom 21.03.2006, AZ: B 5 RJ 51/04 R stellt in diesen Fällen jedoch hohe Anforderungen an die Verbindlichkeit der Zusage beziehungsweise Bewilligung von Kfz-Hilfe als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben, deren konkrete Höhe und unter welchen Voraussetzungen konkret durch die Kfz-Hilfe der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung abgewendet werden kann. Hiernach muss die bewilligte Leistung den Versicherten in eine Lage versetzen, die derjenigen eines Versicherten gleicht, der einen Führerschein und ein privates Kfz besitzt und dem die Anbahnung eines Arbeitsverhältnisses sowie die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch an einem über 500 m entfernt liegenden Arbeitsplatz zuzumuten ist, weil er mit einigermaßen verlässlich einzuschätzendem Aufwand an Zeit und Kosten dorthin gelangen kann. Die Träger der Rentenversicherung haben sich unter Berücksichtigung der BSG-Rechtsprechung dafür ausgesprochen, dass die Wegeunfähigkeit von arbeitslosen und anspruchsberechtigten Rentenantragstellern durch eine konkrete Zusage über die Übernahme von Fahrkosten für Bewerbungen/Vorstellungsgespräche im Rahmen von §  49 Abs. 3 Nr. 1 SGB IX (Leistungen zur Erhaltung oder Erlangung eines Arbeitsplatzes) nach Vorlage entsprechender Nachweise beseitigt wird. Nach Aufnahme eines Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses werden dann die notwendigen Fahrkosten zwischen Wohn- und Arbeitsort übernommen, bis über andere zielführende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben - insbesondere Leistungen nach der KfzHV - endgültig entschieden ist (siehe AGDR 4/2007, TOP 14). Die Urteile des BSG vom 12.12.2011, AZ: B 13 R 21/10 R, AZ: B 13 R 79/11 R bestätigen weitgehend die Verfahrensweise der Rentenversicherungsträger. Durch eine hinreichend konkrete Bewilligung/Zusicherung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, die es dem Versicherten ermöglichen, Vorstellungsgespräche oder den möglichen Arbeitsplatz zu erreichen, ist dieser in seiner Wegefähigkeit rentenrechtlich nicht (mehr) eingeschränkt. Solange die Wegeunfähigkeit jedoch vorliegt, besteht - gegebenenfalls befristet - ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung (siehe AGEM 1/2007, TOP 2, und AGEM 1/2009, TOP 9.2).

Nach Bewilligung der Leistungen zur Teilhabe ist die Wegeunfähigkeit rentenrechtlich nicht mehr relevant. Eine Rente wegen voller Erwerbsminderung allein aus Gründen der an sich eingeschränkten Wegefähigkeit kann somit nicht zuerkannt werden.

Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen/schwere spezifische Leistungsbehinderungen ('atypische Fälle')

Die aus den objektivierten Gesundheitsstörungen resultierenden Funktionseinschränkungen haben Einfluss auf die zumutbare körperliche Arbeitsschwere, Arbeitshaltung, geistig-psychische Arbeitsschwierigkeit und die zumutbaren Umgebungseinflüsse. Dadurch können sich Einschränkungen ergeben, die die Erwerbsfähigkeit derart einengen, dass Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nur noch bedingt oder auch gar nicht mehr verrichtet werden können.

Insbesondere gilt dies bei einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung (BSG vom 19.12.1996, AZ: GS 2/95, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).

Die Rechtsprechung des BSG geht davon aus, dass bei einer (einzelnen) schweren spezifischen Leistungsbehinderung oder einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen (anders: bei einer Vielzahl sich gegenseitig beeinflussender Leistungseinschränkungen) der allgemeine Arbeitsmarkt für solche überdurchschnittlich stark leistungsgeminderten Personen möglicherweise schlechthin keine Arbeitsstelle bereit hält.

Siehe Beispiel 1

Unter dem Begriff 'schwere spezifische Leistungsbehinderung' werden vom BSG diejenigen Fälle erfasst, bei denen bereits eine schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hingegen trägt das Merkmal 'Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen' dem Umstand Rechnung, dass auch eine Mehrzahl von Einschränkungen, die jeweils zwar nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, in ihrer Summe das noch mögliche Arbeitsfeld dann aber in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können (BSG vom 20.08.1997, AZ: 13 RJ 39/96, SozR 3-2600 § 43 Nr. 17).

Obgleich bei der Anwendung des § 43 SGB VI auf Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes abzustellen ist, sodass nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG im Regelfall keine Verweisungstätigkeit konkret benannt werden muss, hat der Rentenversicherungsträger bei derart überdurchschnittlich stark leistungsgeminderten Personen im Einzelfall dennoch eine Benennungspflicht. Hierdurch wird sichergestellt, dass es nicht nur zu einem Vergleich der Leistungsfähigkeit mit dem Anforderungsprofil eines Arbeitsplatzes kommt, sondern die konkrete Benennung auch zu der individuellen Prüfung führt, ob Versicherten der Arbeitsmarkt offen steht oder nicht (BSG vom 19.12.1996, AZ: GS 2/95, SozR 3-2600 § 44 Nr. 8).

Die Rechtsprechung des BSG zur Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen und zur schweren spezifischen Leistungsbehinderung gilt auch unter dem seit 01.01.2001 in Kraft getretenen Recht unverändert fort (BSG vom 19.10.2011, AZ: B 13 R 78/09 R und BSG vom 11.12.2019, AZ: B 13 R 7/18 R).

In seiner Entscheidung vom 11.12.2019 geht das BSG weiterhin von dem Grundsatz des offenen Arbeitsmarktes aus. Arbeitsplätze auf denen ungelernte körperlich leichte Tätigkeiten zu erbringen sind, sind nicht generell „unüblich“, insoweit ist der Katalog zur Verschlossenheit des Arbeitsmarktes nicht um eine solche Fallgruppe zu erweitern. Nach den Ermittlungen des BSG sind Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die nur mit leichten körperlichen und geistigen Anforderungen verknüpft sind, trotz der Digitalisierung oder anderer wirtschaftlicher Entwicklungen weiterhin vorhanden.

Einer geringeren Prüfungsintensität bedarf es in den Fällen, bei denen das verbliebene positive Leistungsvermögen

  • die relativ „schnelle“ Zuordnung von Arbeitsfeldern, die nur mit körperlich leichten Belastungen einhergehen (zum Beispiel Sortier- und Montiertätigkeiten, Boten- und Bürodienste)
  • oder gegebenenfalls sogar die (hilfsweise und überobligatorische) Benennung einer geeigneten Verweisungstätigkeit

erlaubt und damit Zweifel an der Einsetzbarkeit von Versicherten beseitigt werden. Insoweit ist zunächst darauf abzustellen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten typische Verrichtungen wie zum Beispiel Bedienen von Maschinen oder das Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen ermöglicht. Dieser Kern an typischen körperlichen Verrichtungen ist weiterhin aktuell. Die Aufzählung der Arbeitsfelder und Verrichtungen ist allerdings nicht abschließend; sie kann erweitert werden (zum Beispiel „einfache Büro- oder Montiertätigkeiten“, BSG vom 24.02.1999, AZ: B 5 RJ 30/98 R, SozR 3-2600 § 44 Nr. 12). Im Hinblick auf die zunehmende Automatisierung von Prozessen sind zum Beispiel auch Verrichtungen wie das Messen, Prüfen, Überwachen und die (Qualitäts-)Kontrolle von Produktionsvorgängen in Betracht zu ziehen.

Kann eine konkrete Verweisungstätigkeit nicht benannt werden oder sind entsprechende Arbeitsplätze so selten, dass faktisch keine (auch keine schlechte) Chance mehr besteht, einen solchen Arbeitsplatz zu erhalten, sind diese Versicherten auch bei einem mindestens 6-stündigen Leistungsvermögen vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen und damit voll erwerbsgemindert.

Von einem „atypischen Fall“ (schwere spezifische Leistungsbehinderung oder Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen) wird man nur dann ausgehen können, wenn qualitative Einschränkungen vorliegen, die einzeln oder in ihrer Summe (Mehrheit von wenigstens zwei ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen notwendig) über das Maß hinausgehen, das im Regelfall zumindest noch mit der Ausübung leichter Arbeiten vereinbar ist. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat bisher jedoch insoweit keine generalisierenden Vorgaben und Maßstäbe aufgestellt, sondern im Sinne einer Kasuistik lediglich Einzelfallentscheidungen getroffen (vergleiche hierzu auch BSG vom 19.12.1996; AZ: GS 4/95).

Aufgrund der Rechtsprechung hat sich ein Einzelfallrecht entwickelt, in dem meistens nicht unterschieden wird, ob eine schwere spezifische Leistungsbehinderung oder eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vorliegt. Da diese beiden unbestimmten Rechtsbegriffe schwierig zu konkretisieren sind, richtet sich der anzustellende Prüfungs- und Begründungsaufwand - auch weiterhin - nach den konkreten Umständen des Einzelfalls.

Um die praktische Handhabung der Begriffe zu verbessern, hat das BSG (Urteile BSG vom 19.10.2011, AZ: B 13 R 78/09 R, BSG vom 09.05.2012, AZ: B 5 R 68/11 R und BSG vom 11.12.2019, AZ: B R 13 R 7/18 R) eine Prüfung in mehreren Schritten empfohlen:

(1) Im ersten Schritt ist festzustellen, ob das Restleistungsvermögen dem Versicherten Verrichtungen oder Tätigkeiten erlaubt, die in ungelernten Tätigkeiten üblicherweise gefordert werden (zum Beispiel Bedienen von Maschinen, das Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen, einfache Büro- oder Montiertätigkeiten, Verrichtungen wie das Messen, Prüfen, Überwachen und die (Qualitäts-)Kontrolle von Produktionsvorgängen). Dabei genügt die Benennung von „Arbeitsfeldern“ und „Tätigkeiten der Art nach“. Können danach „ernste Zweifel“ an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Versicherten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen ausgeschlossen werden, besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung.

(2) Bestehen allerdings derartige „ernste Zweifel“, stellt sich im zweiten Schritt die Rechtsfrage, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine besondere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt.

Liegen mehrere Leistungseinschränkungen vor, die sich aufgrund ihres Zusammentreffens insgesamt „ungewöhnlich“ auswirken, genügt es für die Annahme eines Summierungsfalls nicht, auf die schiere Anzahl der von den Gutachtern genannten qualitativen Einschränkungen zu verweisen. Hier ist eine Analyse, durch welche konkreten Einschränkungen das Feld der möglichen Einsatzmöglichkeiten nicht nur hinsichtlich einzelner Verrichtungen, sondern umfassender reduziert wird, unerlässlich. In den Blick zu nehmen ist insoweit eine besondere Addierungs- und Verstärkungswirkung mehrerer verschiedener, nur auf den ersten Blick „gewöhnlicher“ Leistungseinschränkungen.

(3) Nur wenn eine „schwere spezifische Leistungsbehinderung“ oder eine „Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen“ vorliegt, ist dem Versicherten im dritten Schritt mindestens eine konkrete Verweisungstätigkeit mit ihren typischen, das Anforderungsprofil bestimmenden Merkmalen (kein konkreter Arbeitsplatz) zu benennen, für die der Versicherte die notwendigen fachlichen Qualifikationen oder überfachlichen Schlüsselkompetenzen besitzt oder innerhalb von drei Monaten erwerben kann. Dabei ist zu beachten, dass nicht auf Tätigkeiten verwiesen werden darf, die auf dem Arbeitsmarkt nur in ganz geringer Zahl vorkommen, die an Berufsfremde nicht vergeben werden oder für Betriebsfremde unzugänglich sind, weil es sich um reine Schonarbeitsplätze oder Aufstiegspositionen handelt.

Auswirkungen quantitativer Leistungseinschränkungen

  • Unter 3-stündige Leistungsfähigkeit
    Versicherte mit einem unter 3-stündigen Leistungsvermögen sind voll erwerbsgemindert.
    Für die Beurteilung des Rentenanspruchs kommt es mithin allein auf das festgestellte Leistungsvermögen an. Arbeiten Versicherte bei einem festgestellten Leistungsvermögen von unter 3 Stunden tatsächlich 3 Stunden und mehr, ist die Leistungsbeurteilung zu überprüfen. Der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung besteht im konkreten Einzelfall ausnahmsweise nur dann weiter, wenn die Beschäftigung/Tätigkeit unter unzumutbaren Schmerzen oder einer unzumutbaren Anstrengung der Willenskraft erfolgt oder unter der unmittelbaren und konkreten Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustands ausgeübt wird (siehe Abschnitt 10).
  • 3- bis unter 6-stündige Leistungsfähigkeit
    Versicherte mit einem Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden täglich sind aus gesundheitlichen Gründen nur noch zu Teilzeitarbeit fähig. Es besteht daher ein Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 1 SGB VI.
    Für die Beurteilung des Rentenanspruchs kommt es mithin allein auf das festgestellte Leistungsvermögen an. Arbeiten Versicherte bei einem festgestellten Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden tatsächlich 6 Stunden und mehr, ist die Leistungsbeurteilung zu überprüfen. Der Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung besteht im konkreten Einzelfall ausnahmsweise nur dann weiter, wenn die Beschäftigung/Tätigkeit unter unzumutbaren Schmerzen oder einer unzumutbaren Anstrengung der Willenskraft erfolgt oder unter der unmittelbaren und konkreten Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustandes ausgeübt wird (siehe Abschnitt 10).
    Ob die verbliebene Fähigkeit zur Verrichtung von Teilzeittätigkeiten tatsächlich in eine Erwerbstätigkeit umgesetzt werden kann, ist von der konkreten (Teilzeit-)Arbeitsmarktsituation abhängig (siehe Abschnitt 4). Liegt neben der teilweisen Erwerbsminderung Arbeitslosigkeit vor, besteht ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI aufgrund eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes (siehe Abschnitt 4.2).
    Den Tatbestand der Arbeitslosigkeit in diesem Sinne erfüllen Versicherte,
    • die bei der für ihren Wohnsitz zuständigen Agentur für Arbeit oder beim zuständigen Träger der Leistungen nach dem SGB II arbeitslos gemeldet sind und in keinem (ruhenden) Beschäftigungsverhältnis stehen und auch nicht selbständig erwerbstätig sind
    • oder die eine (geringfügig entlohnte) Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit mit einer Arbeitszeit von weniger als 3 Stunden täglich (unter 15 Stunden wöchentlich) ausüben
      Hinweis: Beträgt das monatliche Arbeitsentgelt weniger als 810,00 EUR (im Jahr 2023: weniger als 780,00 EUR , bis 31.12.2022: nicht mehr als 525,00 EUR), ist grundsätzlich die Annahme gerechtfertigt, dass eine Arbeitszeit von 3 Stunden täglich (15 Stunden wöchentlich) nicht erreicht wird (siehe AGVR 3/2022, TOP 5, AGEM 1/2017, TOP 2.1).
    • oder die nicht bei einer Agentur für Arbeit oder einem Träger der Leistungen nach dem SGB II arbeitslos gemeldet sind, in keinem (auch keinem ruhenden) Beschäftigungsverhältnis stehen und auch nicht selbständig tätig sind
    und bei denen der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist (siehe Abschnitt 4).
    Arbeitslosengeld oder ergänzende Leistungen erhalten auch Versicherte, die aufgrund langer Krankheit und eingeschränkter Erwerbsfähigkeit kein Krankengeld mehr erhalten (§ 145 SGB III), das Arbeitsverhältnis aber noch besteht oder die zwar eine Erwerbstätigkeit über 15 Stunden wöchentlich ausüben, aber deren Einkommen nicht zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausreicht. Bei diesen Versicherten ist bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen zunächst beim Arbeitgeber zu prüfen, ob eine Teilzeitbeschäftigung möglich ist.
    Erhalten arbeitsunfähig erkrankte Versicherte mit einem Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden täglich Hilfe zur Erhaltung eines Arbeitsplatzes (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c SGB VI), steht ein leidensgerechter Teilzeitarbeitsplatz erst mit Abschluss der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben zur Verfügung. Vor der möglichen Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ist der Grundsatz „Reha vor Rente“ zu beachten (siehe GRA zu § 116 SGB VI, Abschnitt 3).
    Bei selbständig tätig Versicherten kann unterstellt werden, dass sie einen Arbeitsplatz haben, weil sie ihre Tätigkeit so gestalten können, dass sie dem Restleistungsvermögen entspricht. Aus diesem Grunde ist eine arbeitsmarktbedingte Rente wegen voller Erwerbsminderung nur möglich, wenn Versicherte tatsächlich weniger als 3 Stunden täglich arbeiten (siehe AGVR 3/2022, TOP 5).
  • Mindestens 6-stündige Leistungsfähigkeit
    Versicherte mit einem mindestens 6-stündigen Leistungsvermögen sind nicht erwerbsgemindert. Die Differenz zwischen 6 Stunden und voller tariflicher oder branchenüblicher Arbeitszeit ist als individuelle Opfergrenze anzusehen.
    Nach der unten genannten Definition für eine Vollzeittätigkeit ist eine festgestellte mindestens 6-stündige Leistungsfähigkeit (30 Stunden wöchentlich) nicht mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen gleichzusetzen. Dabei bleibt offen, ob die mindestens 6-stündige Leistungsfähigkeit nicht auch eine vollschichtige Tätigkeit zulässt. Hierauf kommt es für die Beurteilung des Rentenanspruchs jedoch nicht entscheidend an, denn eine rechtserhebliche Leistungseinschränkung liegt erst bei einem unter 6-stündigen Leistungsvermögen vor.

Arbeitsverhältnisse werden eingegangen als

  • Vollzeittätigkeit,
  • Teilzeittätigkeit,
  • geringfügig entlohnte Beschäftigung.

Unter einer Vollzeittätigkeit wird ein Arbeitsverhältnis mit der vollen tariflichen beziehungsweise branchenüblichen wöchentlichen Arbeitszeit verstanden. Diese schwankt zurzeit zwischen 35 bis 42 Stunden (bei einer 5-Tage-Woche).

Beschäftigungsverhältnisse mit weniger als der vollen tariflichen beziehungsweise branchenüblichen Arbeitszeit werden als Teilzeittätigkeit bezeichnet.

Geringfügig entlohnte Beschäftigungen liegen vor, wenn das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschreitet (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV; siehe Aktuelle Werte "Geringfügigkeitsgrenzen").

Die Arbeitszeiten mehrerer Erwerbstätigkeiten werden zusammengerechnet (§ 138 Abs. 3 S. 2 SGB III).

Arbeitsgelegenheiten (zum Beispiel sogenannte 'Ein-Euro-Jobs') zählen als Eingliederungsleistungen zur öffentlich geförderten Beschäftigung (§ 16d SGB II). Sie sollen in erster Linie für Bezieherinnen und Beziehern von Bürgergeld (bis 31.12.2022: Arbeitslosengeld II [Alg II]) geschaffen werden, die keine Arbeit finden können. Arbeitsgelegenheiten gibt es in der Variante als 'Ein-Euro-Jobs' beziehungsweise 'Zusatzjobs' und in der Entgeltvariante. Der Umfang der Beschäftigung soll 30 Stunden wöchentlich nicht übersteigen. Während es sich bei den 'Ein-Euro-Jobs' um ein Sozialrechtsverhältnis mit Mehraufwandsentschädigung (1,00 EUR bis 2,00 EUR pro tatsächlich geleisteter Stunde) handelt, ist die Entgeltvariante ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Anders als bei den Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung erhalten die Beschäftigten in der Entgeltvariante anstelle von Bürgergeld (bis 31.12.2022: Alg II) das übliche Arbeitsentgelt.

Behinderte Menschen in einer Werkstatt für Behinderte (WfbM)

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteile BSG vom 24.04.1996, AZ: 5 RJ 34/95 und AZ: 5 RJ 56/95) sind bei der rentenrechtlichen Einordnung von behinderten Menschen in der WfbM zwei Gruppen zu unterscheiden:

  • die Gruppe der Versicherten, die trotz ihrer Behinderung zu einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt fähig sind, und
  • die Gruppe der Versicherten, die infolge ihrer Behinderung zu einer gleichen (wirtschaftlich verwertbaren) Arbeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht fähig sind.

Nur die der letztgenannten Gruppe zuzuordnenden behinderten Menschen sind nach der Legaldefinition des § 43 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 SGB VI voll erwerbsgemindert, weil sie wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Ohne rechtserhebliche Bedeutung ist dabei die Höhe der in der WfbM gezahlten Entgelte, denn diese lassen regelmäßig keine Rückschlüsse auf die Art und den Umfang der verrichteten Tätigkeiten zu. Vielmehr kommt es allein darauf an, ob die von dem behinderten Menschen in der WfbM ausgeübte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wirtschaftlich verwertbar gewesen wäre.
Ein in materiell-rechtlicher Hinsicht bedeutsamer Unterschied gegenüber dem Recht für nichtbehinderte Menschen besteht damit erkennbar nicht. In seiner praktischen Bedeutung geht § 43 Abs. 2 S. 3 Nr. 1 SGB VI als spezielle Regelung für behinderte Menschen nicht über eine Klarstellung hinaus; zu einer wirklichen Erweiterung des nach § 43 SGB VI anspruchsberechtigten Personenkreises führt die Vorschrift mithin nicht.
Der Rentenversicherungsträger ist damit auch bei Beschäftigten in einer WfbM von einer entsprechenden Sachaufklärung nicht befreit, jedenfalls dann nicht, wenn nach den Umständen des Einzelfalles von einer entsprechenden Vermutung nicht ausgegangen werden kann (siehe RBRTN 2/97, TOP 8).

Eingliederungsversuch im Rahmen des § 43 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB VI

Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB VI auch Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt. Durch diese Regelung sollen Versicherte, die zum Beispiel wegen eines sogenannten Eingangsleidens keine Möglichkeit haben, unter den allgemeinen Voraussetzungen Rente wegen voller Erwerbsminderung zu erhalten, vor den nachteiligen Folgen einer zwar versuchten, letztlich aber erfolglosen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt geschützt werden. Der Anwendungsbereich des § 43 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 SGB VI erstreckt sich nicht nur auf behinderte Menschen, sondern bezieht alle Versicherten mit ein, die bei Eintritt der vollen Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit noch nicht erfüllt haben, für die also mit dem Eintritt der vollen Erwerbsminderung ein Rentenanspruch noch nicht entstehen konnte. Diese Personen bleiben in der Zeit eines gescheiterten Eingliederungsversuchs in den allgemeinen Arbeitsmarkt voll erwerbsgemindert und verlieren so - je nach Fallgestaltung - nicht ihre Anwartschaft beziehungsweise ihren Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 6 SGB VI. Auch während der Zeit einer Beschäftigung in einem Inklusionsbetrieb (§§ 215 ff. SGB IX) oder mit einem Budget für Arbeit (§ 61 SGB IX – Näheres siehe Abschnitt 3.4.1) bleiben die Versicherten voll erwerbsgemindert, wenn das Leistungsvermögen gegenüber der Beschäftigungszeit in der WfbM unverändert geblieben ist. Die während dieser Zeiten zurückgelegten Beitragszeiten sind daher auch auf die Wartezeit von 20 Jahren nach § 43 Abs. 6 SGB VI anzurechnen. Wird bereits Rente gezahlt, sind die Ausführungen zum Hinzuverdienst im Abschnitt 3.4.2 zu beachten.
Ob infolge einer vorübergehenden Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von einer rentenschädlichen Unterbrechung von voller Erwerbsminderung auszugehen ist, lässt sich nur nach den Umständen des Einzelfalls entscheiden und hängt mithin nicht von einer bestimmten, für alle Versicherten einheitlichen Dauer einer Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ab.
Daher kommt es bei der Prüfung zum Vorliegen einer vollen Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI immer auf das individuelle Leistungsvermögen des Versicherten und der in Abhängigkeit davon zu beurteilenden Frage nach der Dauer der Einsatzfähigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes an. Deshalb ist der Rentenversicherungsträger auch bei einer Beschäftigungsaufnahme von einer entsprechenden Sachaufklärung nicht befreit.

Dabei stehen regelmäßig folgende Aspekte im Vordergrund:

  • War oder ist der Versicherte aus medizinischer Sicht bei Aufnahme der Tätigkeit außerhalb der beschützenden Einrichtung (WfbM) im Vergleich zu anderen Arbeitnehmern als im Wesentlichen uneingeschränkt wettbewerbsfähig anzusehen oder hatte sich ein entsprechender Zustand bis zur Aufgabe dieser Tätigkeit ergeben?
  • War oder ist der Versicherte unter betriebsüblichen Bedingungen beschäftigt? (Handelt es sich um einen besonders gestalteten Arbeitsplatz, erfolgten unübliche Pausen, eine ständige Beaufsichtigung und Hilfestellung durch Dritte?)
  • Unterscheiden oder unterschieden sich die vom Versicherten erbrachte Arbeitsleistung und seine Entlohnung wesentlich von der vergleichbarer nicht behinderter Arbeitnehmer im selben Betrieb?

Weichen die tatsächlichen Arbeitsbedingungen in dem geförderten Beschäftigungsverhältnis von den sogenannten "üblichen Bedingungen" ab (zum Beispiel in Form einer erweiterten Pausenregelung oder es erfolgen besondere Hilfestellungen durch Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz) liegt in der Regel noch keine Eingliederung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vor. Erst wenn der Versicherte (wieder) in der Lage ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig zu sein, ist er nicht mehr voll erwerbsgemindert. Davon ist regelmäßig auszugehen, wenn er seine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zum Beispiel auch ohne das Budget für Arbeit (Näheres siehe Abschnitt 3.4.1) fortsetzen kann.
In den Fällen, in denen die Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt durch eine Rückkehr in die WfbM oder infolge eines endgültigen Leistungsabfalls beendet wird, dürfte nur ausnahmsweise eine Unterbrechung vorliegen. Etwas anderes kann aber trotz einer relativ kurzen Erwerbsphase auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gelten, wenn zum Beispiel die Beendigung der Tätigkeit auf einen Unfall zurückzuführen ist und somit die Behinderung des Versicherten, das heißt das „Ursprungsleiden“, nicht ursächlich für den erneuten Eintritt voller Erwerbsminderung war.
Ist nach dem Ergebnis entsprechender Ermittlungen von einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt auszugehen, liegt ein den Anspruch oder - bei entsprechender Fallgestaltung - die Anwartschaft auf Rente nach § 43 Abs. 6 SGB VI vernichtender Unterbrechungstatbestand nicht vor; der Versicherte war in dieser Zeit weiterhin voll erwerbsgemindert.

Besonderheiten beim Budget für Arbeit

Insbesondere für Bezieher einer vollen Erwerbsminderungsrente stellt sich die Frage, ob während oder nach einer Beschäftigung mit einem Budget für Arbeit (§ 61 SGB IX) weiterhin eine volle Erwerbsminderung vorliegt oder die Rente zu entziehen ist. Maßgeblich ist, inwieweit der Versicherte unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts tätig ist. Wird der Versicherte unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts beschäftigt, kann dies zum Entfallen der vollen Erwerbsminderung führen.
Wird bereits eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen, gehen die Rentenversicherungsträger davon aus, dass volle Erwerbsminderung auch während der Beschäftigung mit einem Budget für Arbeit weiterhin vorliegt. Es sei denn, konkrete Anhaltspunkte (Arbeit unter den üblichen Bedingungen) sprechen dagegen (siehe AGEM 1/2020, TOP 4).
Als Rentenbezieher haben Versicherte die Pflicht, jegliche Beschäftigungsaufnahme dem Rentenversicherungsträger umgehend mitzuteilen. Als Nachweis sollte zum Beispiel der Förderungsbescheid zum Budget für Arbeit und der Arbeitsvertrag vorgelegt werden.
Näheres zum Hinzuverdienst siehe Abschnitt 3.4.2.
Wechselt ein behinderter Mensch aus einer WfbM in eine Beschäftigung mit einem Budget für Arbeit und wird noch keine Rente wegen voller Erwerbsminderung bezogen, gelten die Ausführungen in Abschnitt 3.3 entsprechend.

Hinzuverdienst im Rahmen einer Eingliederungsmaßnahme

Das während der Eingliederungsmaßnahme gezahlte Arbeitsentgelt ist als Hinzuverdienst gemäß § 96a SGB VI zu berücksichtigen, soweit es nicht vom Kostenträger gezahlt wird. Hierzu zählen insbesondere das Tarifentgelt, das behinderte Menschen zum Beispiel im Rahmen von einer Beschäftigung mit einem Budget für Arbeit erhalten sowie das Arbeitsentgelt, das behinderte Menschen aufgrund einer Beschäftigung in einem Inklusionsbetrieb erzielen.
Näheres zum Hinzuverdienst siehe GRA zu § 96a SGB VI, Abschnitt 3.1.7.

Teilweise Erwerbsminderung und Teilzeitarbeitsmarkt

Vor dem Inkrafttreten des EM-ReformG hatten unter vollschichtig erwerbsfähige Versicherte nach den Beschlüssen des Großen Senats des BSG vom 10.12.1976, AZ: GS 2, 3, 4/75, 3/76, SozR 2200 § 1246 Nr. 13 einen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, wenn ihnen der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen war (sogenannte konkrete Betrachtungsweise). Die konkrete Betrachtungsweise ist auf das seit dem 01.01.2001 geltende Recht der Rente wegen Erwerbsminderung übertragen worden.

An der Erhaltung eines bestehenden oder an der Erlangung eines gesundheitlich und fachlich zumutbaren Teilzeitarbeitsplatzes haben sich die teilweise erwerbsgeminderten Versicherten nach Kräften zu beteiligen. Diese Anforderung an die Versicherten ergibt sich direkt aus den oben angeführten Beschlüssen des Großen Senats des BSG vom 10.12.1976.

Leitsätze des BSG zur Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes

Der Große Senat des BSG hat in seinen Beschlüssen vom 10.12.1976 die folgenden Leitsätze aufgestellt:

  • Für die Beurteilung, ob ein Versicherter, der aufgrund seines Gesundheitszustandes nur noch Teilzeitarbeit verrichten kann, berufsunfähig im Sinne des § 23 Abs. 2 AVG, § 1246 RVO oder erwerbsunfähig im Sinne des § 24 Abs. 2 AVG, § 1247 RVO ist, ist es erheblich, dass für die in Betracht kommenden Erwerbstätigkeiten Arbeitsplätze vorhanden sind, die der Versicherte mit seinen Kräften und Fähigkeiten noch ausfüllen kann.
  • Der Versicherte darf auf Tätigkeiten für Teilzeitarbeit nicht verwiesen werden, wenn ihm für diese Tätigkeiten der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist.
  • Dem Versicherten ist der Arbeitsmarkt praktisch verschlossen, wenn ihm weder der Rentenversicherungsträger noch das zuständige Arbeitsamt innerhalb eines Jahres seit Stellung des Rentenantrages einen für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz anbieten kann.
  • Der Versicherte darf in der Regel nur auf Teilzeitarbeitsplätze verwiesen werden, die er täglich von seiner Wohnung aus erreichen kann.

Fortführung der konkreten Betrachtungsweise

Dem EM-ReformG ist die Fortführung der Rechtsprechung des BSG zur Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes nicht unmittelbar zu entnehmen. § 43 Abs. 3 SGB VI regelt, dass bei Versicherten, die unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes noch mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig sein können, die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist. Aus dieser Bestimmung ist aber der Umkehrschluss zu ziehen, dass der Arbeitsmarktlage dann Bedeutung zukommt, wenn das zeitliche Leistungsvermögen die Grenze von 6 Stunden täglich unterschreitet.

Da unter 3 Stunden täglich erwerbsfähige Versicherte gemäß § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI bereits ausschließlich aus gesundheitlichen Gründen voll erwerbsgemindert sind, kommt die Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage nur bei Versicherten mit einem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von 3 bis unter 6 Stunden täglich in Betracht. Wäre die Lage auf dem Teilzeitarbeitsmarkt im Recht der Erwerbsminderungsrenten nicht relevant, hätte es zudem der Bestimmung des § 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI nicht bedurft, dass von der Arbeitsmarktlage unabhängige Renten bei einem medizinischen Dauerzustand unbefristet geleistet werden (siehe GRA zu § 102 SGB VI, Abschnitt 3.2).

Der amtlichen Begründung zum EM-ReformG ist die Fortführung der Rechtsprechung des BSG zum Teilzeitarbeitsmarkt allerdings explizit zu entnehmen. In den Ausführungen zu § 43 SGB VI heißt es dort sinngemäß, dass die konkrete Betrachtungsweise aufgrund der Arbeitsmarktsituation beibehalten wird. Hiernach sollen teilweise erwerbsgeminderte Versicherte (§ 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI), die ihr Leistungsvermögen wegen Arbeitslosigkeit (zum Begriff siehe Abschnitt 3.2) nicht in Erwerbseinkommen umsetzen können, eine Rente wegen voller Erwerbsminderung erhalten. Das Sicherungsziel der arbeitsmarktbedingten vollen Erwerbsminderungsrente ist demzufolge der Ersatz des wegen Arbeitslosigkeit ausfallenden Erwerbseinkommens.

Die aufgrund von Krankheit oder Behinderung eingetretene teilweise Erwerbsminderung kann in Verbindung mit der Feststellung des verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes den Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI begründen. Das Unvermögen, eine der gesundheitlichen und fachlichen Leistungsfähigkeit entsprechende Teilzeitbeschäftigung tatsächlich ausüben und Erwerbseinkommen erzielen zu können, führt in Bezug auf die zu leistende Rentenart zur rechtlichen Gleichstellung mit dem in § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI genannten Personenkreis.

Allerdings kann eine aufgrund der Lage auf dem Teilzeitarbeitsmarkt zu leistende Rente wegen voller Erwerbsminderung nur auf Zeit gewährt werden und die Befristung erfolgt für längstens 3 Jahre nach Rentenbeginn (siehe GRA zu § 102 SGB VI).

Ansprüche auf Teilzeitarbeit

Vor der Bewilligung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes werden alle Versicherten, die noch in einem Beschäftigungsverhältnis stehen, aufgefordert, bei ihrem Arbeitgeber nachzufragen, ob dieser ihnen eine leidensgerechte Teilzeittätigkeit anbieten kann (siehe FAVR 2/2015, TOP 4).

Versicherte können aufgrund gesetzlicher, tarifvertraglicher oder einzelvertraglicher Regelungen gegenüber ihrem Arbeitgeber einen Anspruch auf Verringerung der vertraglich vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit haben (Teilzeitarbeit). Bei der Prüfung des Teilzeitarbeitsmarktes müssen diese rechtlichen Ansprüche angemessen berücksichtigt werden. Nehmen die Versicherten den vom Arbeitgeber angebotenen Teilzeitarbeitsplatz ohne wichtigen Grund nicht an, ist die Rente wegen voller Erwerbsminderung abzulehnen, da der Teilzeitarbeitsmarkt nicht verschlossen ist (BSG vom 10.12.1976, AZ: GS 2/75, 3/75 und 3/76, SozR 2200 § 1246 RVONr. 13, S. 40).

Die Regelungen bezüglich des Anspruchs auf Verringerung der Arbeitszeit sind inhaltlich unterschiedlich ausgestaltet. Zum Teil können Personen ihre Ansprüche auf Teilzeitarbeit auf verschiedene Anspruchsgrundlagen stützen (zum Beispiel gesetzliche und tarifvertragliche), sodass nach einem gestuften Verfahren die am weitesten gefasste Anspruchsgrundlage zur Prüfung des Anspruchs auf Teilzeitbeschäftigung auszuwählen ist.

Arbeitgeber können den Anspruch auf Teilzeitarbeit in engen Grenzen begründet verwehren. Der Arbeitgeber muss schlüssig und nachvollziehbar begründen, weshalb er keinen Teilzeitarbeitsplatz zur Verfügung stellen kann. Steht ein Teilzeitarbeitsplatz beim Arbeitgeber nicht zur Verfügung, ist der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen.

Teilzeit- und Befristungsgesetz

Auf der Grundlage des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (Teilzeit- und Befristungsgesetz - TzBfG) vom 21.12.2000, BGBl. I S. 1966, können Arbeitnehmer/innen eine Verringerung ihrer vertraglich vereinbarten Arbeitszeit verlangen (§ 8 Abs. 1 TzBfG), sofern sie ihre arbeitsvertraglich bestimmte Tätigkeit gesundheitlich noch 3 bis unter 6 Stunden täglich (15 bis unter 30 Stunden wöchentlich) ausüben können.

Folgende Voraussetzungen müssen zusammen erfüllt sein:

  • Das Arbeitsverhältnis muss bereits länger als 6 Monate bestehen (§ 8 Abs. 1 TzBfG).
  • Der Arbeitgeber beschäftigt in der Regel mehr als 15 Arbeitnehmer/innen, unabhängig von der Anzahl der Personen in Berufsausbildung (§ 8 Abs. 7 TzBfG).
  • Die Arbeitnehmer/innen müssen ihre arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit gesundheitlich noch in einem zeitlichen Umfang von 3 bis unter 6 Stunden täglich verrichten können, denn nur für diese Tätigkeit kann überhaupt ein Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit bestehen.
  • Die Arbeitnehmer/innen müssen die Verringerung ihrer Arbeitszeit und den Umfang der Verringerung spätestens 3 Monate vor deren Beginn geltend machen (Wartefrist) und dabei die gewünschte Verteilung der Arbeitszeit angeben (§ 8 Abs. 2 TzBfG).
  • Der Verringerung der Arbeitszeit dürfen keine betrieblichen Gründe entgegenstehen (§ 8 Abs. 4 TzBfG).

§ 164 Abs. 5 SGB IX (schwerbehinderte Menschen)

Für schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Menschen ist der Anspruch auf eine Teilzeitbeschäftigung in § 164 Abs. 5 SGB IX geregelt. Menschen sind schwerbehindert, wenn bei ihnen ein Grad der Behinderung von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben (§ 2 SGB IX).

Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellte Menschen haben einen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung, wenn die kürzere Arbeitszeit wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist.

Der Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung muss also auf Erkrankungen beruhen, die eine Vollzeitbeschäftigung nicht (mehr) zulassen. Der Anspruch ist im Gegensatz zum TzBfG nicht auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Tätigkeit beschränkt. Folglich geht der Anspruch auf Teilzeitarbeit nach § 164 Abs. 5 SGB IX über den Anspruch nach dem TzBfG hinaus.

Im Gegensatz zu der Regelung nach § 8 Abs. 7 TzBfG haben diesen Anspruch auch schwerbehinderte Menschen in Kleinstbetrieben, da eine Mindestanzahl von 15 Beschäftigten nicht gefordert wird. Voraussetzung für einen Anspruch auf einen Teilzeitarbeitsplatz ist auch nicht, dass das Arbeitsverhältnis bereits 6 Monate besteht.

Eingeschränkt ist der Rechtsanspruch auf einen Teilzeitarbeitsplatz durch den Verweis in § 164 Abs. 5 SGB IX auf § 164 Abs. 4 S. 3 SGB IX. Danach besteht dieser Anspruch nicht, soweit die Einrichtung entsprechender Teilzeitarbeitsplätze für den Arbeitgeber nicht zumutbar oder mit unverhältnismäßigen Aufwendungen verbunden wäre. Anders als nach § 8 Abs. 4 TzBfG reichen allgemeine betriebliche Gründe (zum Beispiel unverhältnismäßig hohe Kosten) allein nicht aus, die Unzumutbarkeit zu begründen.

Bei einer Leistungsfähigkeit von mindestens 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes findet § 164 Abs. 5 SGB IX in diesem Zusammenhang keine Anwendung.

Tarifverträge

In einigen Tarifverträgen ist vorgesehen, dass teilweise Erwerbsgeminderte nach Bewilligung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei ihrem Arbeitgeber die Weiterbeschäftigung beantragen können. Dies gilt insbesondere für die Mitarbeiter/-innen im öffentlichen Dienst oder Beschäftigte mit Arbeitsverträgen, in denen auf die Regelungen des Tarifvertrages für den öffentlichen Dienst (TVöD) Bezug genommen wird. Die bisher bekannten Tarifverträge mit den entsprechenden Bestimmungen sind in der Anlage 1 aufgelistet.

Die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nach tarifvertraglichen Regelungen eingeräumten Möglichkeiten für eine Teilzeitbeschäftigung gehen weiter als die nach dem TzBfG. Neben der Weiterbeschäftigung auf dem bisherigen Arbeitsplatz hat der Arbeitgeber auch die Umsetzung auf einen anderen geeigneten freien Arbeitsplatz zu prüfen. Des Weiteren entfällt die im TzBfG vorgeschriebene 3-monatige Wartefrist. Zudem nehmen die oben angeführten Tarifverträge ausdrücklich Bezug auf die Rentenfeststellung als Ursache für den Antrag auf Weiterbeschäftigung. Dies ist beim TzBfG nicht der Fall. Auf einen Grund für den geltend gemachten Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit stellt das TzBfG nicht ab und es sieht die Prüfung der Umsetzung auf einen anderen Arbeitsplatz nicht vor.

Bei Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit endet das Arbeitsverhältnis nach den in der Anlage 1 genannten Tarifverträgen ebenfalls nicht, sondern es ruht für den Zeitraum, für den die Rente gewährt wird.

Einschaltung der Agenturen für Arbeit

Von einer Prüfung des Teilzeitarbeitsmarktes unter Beteiligung der Agenturen für Arbeit wird bis auf Weiteres abgesehen. Gegenwärtig erprobt die Deutsche Rentenversicherung Bund in einem Pilotverfahren mit den Agenturen für Arbeit in Bayern und Nordrhein-Westfalen, wie die Einbeziehung der Agenturen für Arbeit erfolgreicher gestaltet werden kann (siehe FAVR 4/2018, TOP 4).

Versicherte mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland

Gemäß § 112 SGB VI ist die Gewährung von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit an Berechtigte mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland dahingehend eingeschränkt, dass auf eine von der Lage auf dem Teilzeitarbeitsmarkt abhängige Rente (sogenannte Arbeitsmarktrente) kein Anspruch besteht. Die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes kommt somit nicht in Betracht. Allerdings gilt dies nur, soweit über- oder zwischenstaatliches Recht nichts anderes bestimmt. Zum über- und zwischenstaatlichen Recht zählen beispielsweise die zum Sozialversicherungsrecht ergangenen Verordnungen der Europäischen Union (siehe GRA zu § 112 SGB VI, Abschnitt 5).

Könnte die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes an Versicherte mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland nach über- oder zwischenstaatlichem Recht in Betracht kommen, so sind die außerhalb der Bundesrepublik Deutschland lebenden Versicherten in Bezug auf die Prüfung des Teilzeitarbeitsmarktes nicht anders zu behandeln als die im Inland lebenden Versicherten (Urteil BSG vom 30.08.1979, AZ: 4 RJ 110/78, SozR 2200 § 1246 Nr. 48). Insoweit gelten die unter Abschnitt 4.1 aufgestellten Grundsätze des BSG auch für diesen Personenkreis.

Arbeiten Versicherte als abhängig Beschäftige oder Selbständige bereits mindestens 3 Stunden täglich (15 Stunden wöchentlich) im Ausland, sind sie auf diesen Arbeitsplatz zu verweisen. Der Teilzeitarbeitsmarkt gilt nicht als verschlossen. Die im Ausland lebenden Versicherten sind auch insoweit rechtlich nicht anders zu behandeln als die im Inland lebenden, bei denen eine Beschäftigung im zeitlichen Umfang von zumindest 3 Stunden täglich (15 Stunden wöchentlich) ebenfalls nicht zur Feststellung eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarkt führen würde. Des Weiteren steht die Ausübung einer abhängigen oder selbständigen Tätigkeit im vorgenannten zeitlichen Umfang der Lohnersatzfunktion der Rente wegen voller Erwerbsminderung entgegen (Urteil BSG vom 27.04.1979, AZ: 4 RJ 19/78, SozR 2200 § 1247 Nr. 24). Auf die Höhe des im Ausland tatsächlich erzielten Einkommens kommt es nicht an.

Eine Prüfung des Teilzeitarbeitsmarktes in der Bundesrepublik Deutschland ist nicht durchzuführen.

Weiterzahlung von Zeitrenten bei verschlossenem Teilzeitarbeitsmarkt

Die Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI, die aufgrund eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes auf Zeit geleistet wird, fällt mit dem im Bescheid genannten Zeitpunkt weg. Der Anspruch ist jedoch auf Antrag zu verlängern, wenn den Versicherten weiterhin kein leistungsgerechter Teilzeitarbeitsplatz angeboten werden kann und sie keinen (Teilzeit-)Arbeitsplatz innehaben.

Nachprüfung der weiteren Rentenberechtigung und Teilzeitarbeitsmarkt

Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung besteht, solange wegen Krankheit oder Behinderung eine rentenrechtlich relevante Minderung der Erwerbsfähigkeit vorliegt. Die Rentenversicherungsträger sind verpflichtet, bei konkreten Anlässen nachzuprüfen, ob die Voraussetzungen für den Bezug der Rente noch gegeben sind. Liegen die Voraussetzungen für den Bezug der Rente auf Grund einer Änderung in den Verhältnissen nicht mehr vor, ist der Bescheid aufzuheben (§ 48 SGB X).

Bei der Nachprüfung einer Rente wegen Erwerbsminderung, die ohne ausdrückliche zeitliche Befristung bewilligt wurde, kommt dem Teilzeitarbeitsmarkt nur dann Bedeutung zu, wenn sich die Erwerbsfähigkeit gebessert hat. Lag die Erwerbsfähigkeit bisher bei unter 3 Stunden täglich (Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI ausschließlich aus gesundheitlichen Gründen), und hat sie sich nun auf 3 bis unter 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes gebessert, ist der Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung nicht mehr nur vom Gesundheitszustand, sondern auch von der Lage auf dem Teilzeitarbeitsmarkt abhängig (zur Frage eines neuen "Leistungsfalls" siehe Abschnitt 13).

Besondere Fallgestaltungen

Die konkrete Betrachtungsweise ist bei Versicherten während eines Freiheitsentzuges im geschlossenen Vollzug gemäß § 10 Abs. 2 StVollzG nicht anzuwenden. Dies gilt auch für Versicherte in Sicherungsverwahrung (§ 129 StVollzG) beziehungsweise in Untersuchungshaft (§ 112 ff. StPO, § 122 StVollzG).

Wird eine Beschäftigung in einer Arbeitsgelegenheit in der Entgeltvariante nach § 16e SGB II mit mindestens 15 Wochenstunden ausgeübt, besteht kein Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund des verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes. Dies gilt auch, wenn die Beschäftigung in der sogenannten Aktivierungsphase ausgeübt wird. Eine Arbeitsgelegenheit gegen Mehraufwandsentschädigung nach § 16d Abs. 1 SGB II steht einem Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund des verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes nicht entgegen (siehe AGEM 1/2010, TOP 5).

Auch der Bundesfreiwilligendienst nach dem BFDG steht einem Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund des verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes nicht entgegen. Die Aufnahme dieses Dienstes wird allerdings regelmäßig zum Anlass genommen, die bisherige Leistungsbeurteilung zu überprüfen (siehe AGEM 1/2012, TOP 2).

Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung bei verschlossenem Teilzeitarbeitsmarkt

Für den Eintritt der vollen Erwerbsminderung aufgrund eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes ist in der Regel das Datum des medizinischen Leistungsfalles zugrunde zu legen, sofern zu diesem Zeitpunkt tatsächlich keine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit mit einer täglichen Arbeitszeit von 3 Stunden und mehr beziehungsweise 15 Stunden wöchentlich ausgeübt wurde. Das gilt gleichermaßen beim Vorliegen einer andauernden Arbeitsunfähigkeit. Von einer andauernden Arbeitsunfähigkeit ist auszugehen, wenn nach dem Krankheitszustand ungewiss ist, ob und wann Versicherte wieder arbeiten können.

Übt ein Versicherter, dessen Leistungsvermögen noch 3 bis unter 6 Stunden beträgt, eine versicherungspflichtige Beschäftigung tatsächlich aus, tritt der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung erst mit Aufgabe dieser Beschäftigung ein. Eine vorherige Ablehnung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wegen nicht erfüllter Wartezeit steht dem nicht entgegen (siehe AGEM 1/2009, TOP 3).

Erfüllung der allgemeinen Wartezeit

Voraussetzung für einen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung ist gemäß § 34 Abs. 1 SGB VI die Erfüllung der erforderlichen Mindestversicherungszeit (Wartezeit). Diese Mindestversicherungszeit beträgt fünf Jahre und wird als allgemeine Wartezeit bezeichnet (§ 50 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI). Sie muss vor Eintritt der teilweisen beziehungsweise vollen Erwerbsminderung erfüllt sein (§ 43 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 und Abs. 2 S. 1 Nr. 3 SGB VI).

Hinsichtlich der auf die allgemeine Wartezeit anrechenbaren Zeiten vergleiche GRA zu § 51 SGB VI und GRA zu § 52 SGB VI.

Da die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der teilweisen beziehungsweise vollen Erwerbsminderung erfüllt sein muss, sind auf die Wartezeit nur die vor diesem Zeitpunkt zurückgelegten Beitragszeiten (gegebenenfalls auch Ersatzzeiten) anzurechnen. Erst nach oder mit Eintritt der teilweisen beziehungsweise vollen Erwerbsminderung entrichtete freiwillige Beiträge können nicht angerechnet werden (so freiwillige Beiträge für vorhergehende Zeiten nach § 197 SGB VI beziehungsweise nach Sondernachzahlungsvorschriften oder Beiträge im Rahmen des § 187 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VI, die erst nach Eintritt der teilweisen beziehungsweise vollen Erwerbsminderung erbracht werden). Hierbei ist gegebenenfalls der sich aus § 187 Abs. 5 SGB VI ergebende fiktive Zeitpunkt der Beitragszahlung zu beachten.

Hinsichtlich der Anrechenbarkeit von Wartezeitmonaten aus einem Versorgungsausgleich vergleiche GRA zu § 52 SGB VI, Abschnitt 3.2.3.

Wartezeitmonate, die sich nach § 52 Abs. 2 SGB VI durch Zuschläge für Entgeltpunkte aus geringfügiger Beschäftigung, für die Beschäftigte von der Versicherungspflicht befreit wurden, oder die sich nach § 244a SGB VI durch Zuschläge für Entgeltpunkte aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung ergeben, können allerdings nur dann für die Wartezeitprüfung herangezogen werden, soweit die Beschäftigung vor dem Eintritt der Erwerbsminderung liegt.

Haben geringfügig Beschäftigte sich ab 01.01.2013 nicht von der Versicherungspflicht nach § 6 Abs. 1b SGB VI befreien lassen, liegen 'normale' Pflichtbeitragszeiten vor, die auch für die Wartezeit berücksichtigt werden können. Dies gilt auch für die geringfügig beschäftigten Versicherten, die nach § 5 Abs. 2 S. 2 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2012 auf die Versicherungsfreiheit verzichtet haben.

Ist aufgrund einer Änderung von Vorschriften die Wartezeit nach einer Rechtsänderung nicht mehr erfüllt, gilt die Wartezeit gemäß § 305 SGB VI weiterhin als erfüllt (vergleiche GRA zu § 305 SGB VI).

Zur vorzeitigen Erfüllung der allgemeinen Wartezeit vergleiche GRA zu § 53 SGB VI.

Besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Für die Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen gibt es 3 Alternativen,

  • die 3/5-Belegung (vergleiche Abschnitt 6.1),
  • den Tatbestand der vorzeitigen Wartezeiterfüllung (vergleiche Abschnitt 6.2) und
  • die Anwartschaftserhaltung (vergleiche Abschnitt 6.3).

Liegt eine dieser Alternativen bei Eintritt der Erwerbsminderung vor, sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt.

Bei einem Leistungsfall der teilweisen beziehungsweise vollen Erwerbsminderung vor dem 01.01.1984 sind besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen nicht zu erfüllen (vergleiche § 241 Abs. 2 S. 1 SGB VI).

Sind die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen aufgrund einer nach dem 31.12.1995 erfolgten Rechtsänderung nicht mehr erfüllt, so gelten sie gemäß § 305 SGB VI weiterhin als erfüllt (vergleiche GRA zu § 305 SGB VI).

Die 3/5-Belegung

Die 3/5-Belegung ist gegeben, wenn in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der teilweisen beziehungsweise vollen Erwerbsminderung mindestens 3 Jahre mit Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit belegt sind. Nähere Einzelheiten zum Fünfjahreszeitraum, zur Verlängerung des Fünfjahreszeitraums und den berücksichtigungsfähigen Pflichtbeitragszeiten können den nachfolgenden Abschnitten entnommen werden:

  • Fünfjahreszeitraum vergleiche Abschnitt 6.1.1,
  • Verlängerung des Fünfjahreszeitraums vergleiche Abschnitt 6.1.2,
  • Pflichtbeitragszeiten vergleiche Abschnitt 6.1.3.
  • Tritt nach Wegfall eines Anspruchs auf Rente wegen Erwerbsminderung zu einem späteren Zeitpunkt erneut eine Erwerbsminderung ein, ist die 3/5-Belegung bezogen auf diesen Zeitpunkt erneut zu prüfen. Ein Vertrauensschutz hinsichtlich der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine nachfolgende Erwerbsminderung ist nur im Rahmen des § 241 SGB VI möglich (vergleiche hierzu GRA zu § 241 SGB VI Abschnitt 5).

Fünfjahreszeitraum

Die Berechnung des Zeitraums von fünf Jahren erfolgt zunächst unter Beachtung des § 26 SGB X (siehe AGFAVR 6/89, TOP 4). Danach beginnt der Zeitraum an dem Tag vor fünf Jahren, der nach seiner Benennung dem Tag des Eintritts der teilweisen beziehungsweise vollen Erwerbsminderung entspricht, und endet am Tag vor Eintritt der teilweisen beziehungsweise vollen Erwerbsminderung.

Anschließend ist festzustellen, wie viele Kalendermonate von diesem Zeitraum erfasst werden. Regelmäßig werden es 61 Kalendermonate sein.

Siehe Beispiele 2 und 3

Verlängerung des Fünfjahreszeitraums

Der Zeitraum von fünf Jahren verlängert sich nach § 43 Abs. 4 SGB VI um bestimmte Zeiten, das heißt, diese Zeiten werden bei Ermittlung des Fünfjahreszeitraums nicht mitgezählt. Nicht mitzuzählende Zeiten sind:

  1. Anrechnungszeiten und Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit,
  2. Berücksichtigungszeiten,
  3. Zeiten, die nur deshalb keine Anrechnungszeiten sind, weil durch sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen ist, wenn in den letzten 6 Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit oder eine Zeit nach Nummer 1 oder 2 liegt
  4. Zeiten einer schulischen Ausbildung nach Vollendung des 17. Lebensjahres bis zu 7 Jahren, gemindert um Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung, und
  5. Ersatzzeiten (vergleiche § 241 Abs. 1 SGB VI).

Diese Zeiten führen allerdings dann nicht zur Verlängerung des Fünfjahreszeitraums, wenn in dem entsprechenden Kalendermonat auch eine Pflichtbeitragszeit vorhanden ist.

Im Ergebnis muss also durch eine Rückrechnung jeder Kalendermonat dahingehend überprüft werden, ob er Bestandteil des Fünfjahreszeitraums wird oder ausgeklammert werden muss.

  • Anrechnungszeiten
    Es müssen sämtliche in § 58 SGB VI (beziehungsweise §§ 252, 252a SGB VI) genannten Voraussetzungen erfüllt sein. Liegen die Voraussetzungen für eine Anrechnungszeit nicht vor (zum Beispiel während der Sperrzeit bei einer Arbeitslosigkeit), kann die Zeit nicht als Verlängerungszeit berücksichtigt werden.
    Bei den Anrechnungszeiten ist speziell darauf zu achten, ob während dieser Zeiten auch Pflichtbeitragszeiten vorhanden sind. Seit dem 01.01.1992 ist das zum Beispiel der Fall, wenn bei Bezug von Krankengeld, Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe im letzten Jahr vor Beginn dieser Leistungen zuletzt Versicherungspflicht bestanden hat (vergleiche § 3 S. 1 Nr. 3 SGB VI) oder wenn Versicherungspflicht auf Antrag vorliegt (vergleiche § 4 Abs. 3 SGB VI). Für Zeiten vom 01.01.1984 bis zum 31.12.1991 werden bei den früheren Ausfallzeiten nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b AVG, für die ein Leistungsträger 'Beiträge' mitgetragen hat (§ 112b Abs. 1 AVG), Pflichtbeitragszeiten nach § 247 Abs. 1 S. 2 SGB VI angerechnet.
  • Zeiten des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit
    Zu den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gehören die nach den Vorschriften des AVG, der RVO, des RKG, des SGB VI, des Art. 2 RÜG und des früheren DDR-Rechts (vergleiche § 252a Abs. 1 Nr. 4 SGB VI) geleisteten Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Maßgebend ist der festgestellte Anspruch dem Grunde nach, auf die tatsächliche Zahlung kommt es nicht an. Eine Rentenbezugszeit liegt zum Beispiel auch dann vor, wenn die Rente nach § 93 SGB VI oder § 94 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2007 (Vorschriften über die Anrechnung anderer Leistungen), §§ 96a, 313 SGB VI (Vorschriften über die Anrechnung des eigenen Einkommens) beziehungsweise bei Bezug von Arbeitslosengeld nach den entsprechenden Vorgängervorschriften § 95 SGB VI in der Fassung bis 31.12.1998 oder § 313a SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017 oder aufgrund einer möglichen Konkurrenzlage nach § 89 Abs. 1 SGB VI (Vorschrift über die Rangfolge bei mehreren Rentenansprüchen) - zum Beispiel zwischen einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung und einer Erziehungsrente - nicht gezahlt wird.
    Der Bezug vergleichbarer Renten durch einen Versicherungsträger außerhalb der Bundesrepublik Deutschland steht nach Maßgabe zwischenstaatlicher Regelungen oder auch aufgrund des § 28a FRG unter den dort genannten Voraussetzungen den Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gleich.
    Andere Rentenbezugszeiten (Renten wegen Alters, Renten wegen Todes) verlängern den Fünfjahreszeitraum nicht. Damit sind weder große Witwen- beziehungsweise Witwerrenten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit noch Erziehungsrenten als Verlängerungstatbestand zu beachten.
    Nicht zur Verlängerung des Fünfjahreszeitraums führen auch Renten, die aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen außerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt werden (zum Beispiel Renten der landwirtschaftlichen Alterssicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung oder der Kriegsopferversorgung); anders jedoch die in § 252a Abs. 1 Nr. 4 SGB VI genannten Renten des Beitrittsgebiets - siehe oben -.
  • Berücksichtigungszeiten
    Berücksichtigungszeiten sind
    • Zeiten der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr (§ 57 SGB VI) und
    • Zeiten der nicht erwerbsmäßigen Pflege eines Pflegebedürftigen vom 01.01.1992 bis zum 31.03.1995 (§ 249b SGB VI).
    Bei einem Rentenbeginn ab 01.01.2002 sind Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung während einer mehr als geringfügigen selbständigen Tätigkeit gemäß § 57 S. 2 SGB VI in der Fassung des AVmEG generell nur anzuerkennen, soweit diese Zeiten auch Pflichtbeitragszeiten sind.
    Auch bei Berücksichtigungszeiten scheiden Kalendermonate, für die Pflichtbeiträge vorhanden sind, für eine Verlängerung des Fünfjahreszeitraums aus. Dies gilt auch für Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen aufgrund der §§ 56, 249 SGB VI (Pflichtbeiträge aufgrund der Kindererziehungszeit während der Kinderberücksichtigungszeit) oder des § 177 SGB VI in der Fassung bis 31.03.1995 (Pflichtbeiträge aufgrund der Pflegetätigkeit während der Pflegeberücksichtigungszeit vom 01.01.1992 bis 31.03.1995).
    Weitere Einzelheiten zur Anerkennung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung vergleiche GRA zu § 56 SGB VI, GRA zu § 57 SGB VI und GRA zu § 249 SGB VI.
  • Tatbestände für Anrechnungszeiten bei fehlender Unterbrechung
    Es handelt sich um die Anrechnungszeittatbestände der Zeiten der
    • Arbeitsunfähigkeit,
    • Rehabilitation,
    • Schwangerschaft,
    • Mutterschaft und
    • Arbeitslosigkeit
    • Ausbildungsplatzsuche
    im Sinne des § 58 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, 3 und 3a SGB VI, die nur deshalb nicht Anrechnungszeiten sind, weil sie eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit nicht unterbrochen haben (vergleiche § 58 Abs. 2 SGB VI).
    Ihre Berücksichtigung als Verlängerungstatbestand erfordert, dass
    • die jeweiligen Voraussetzungen des § 58 Abs. 1 SGB VI vorliegen und
    • in den letzten 6 Kalendermonaten vor Beginn dieser Zeiten wenigstens ein Pflichtbeitrag für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (vergleiche hierzu Abschnitt 6.1.3) vorhanden ist oder eine der in § 43 Abs. 4 Nr. 1 und 2 SGB VI genannten Zeiten oder eine Ersatzzeit liegt.
      Bei Ermittlung dieser Sechsmonatsfrist bleibt der Monat, in dem der Verlängerungstatbestand beginnt, unberücksichtigt. Folgen mehrere nicht anrechenbare Anrechnungszeiten aufeinander, reicht die Einhaltung der Sechsmonatsfrist für den ersten Anrechnungszeittatbestand auch für die Berücksichtigung der nachfolgenden Zeiten aus, sofern die Lücke zur nachfolgenden Zeit weniger als einen Kalendermonat beträgt.
      Siehe Beispiel 4
  • Zeiten einer schulischen Ausbildung
    Eine schulische Ausbildung liegt bei den in § 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI aufgeführten Tatbeständen vor, also bei einer Schul-, Fachschul- und Hochschulausbildung sowie bei der Teilnahme an einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme. Auf einen Abschluss der Ausbildung kommt es nicht an. Zeiten der schulischen Ausbildung vor der Vollendung des 17. Lebensjahres bleiben außer Betracht.
    Die Zeiten der schulischen Ausbildung sind bis zur Höchstdauer von sieben Jahren Verlängerungstatbestand. Die Höchstdauer von sieben Jahren verringert sich um die Zeiten der schulischen Ausbildung, die zugleich Anrechnungszeiten und damit Verlängerungstatbestand im Sinne des § 43 Abs. 4 Nr. 1 SGB VI sind. Die Höchstdauer von sieben Jahren verringert sich dagegen nicht um die Zeiten einer schulischen Ausbildung beziehungsweise die Anrechnungszeiten wegen schulischer Ausbildung, die außerhalb des - verlängerten - Fünfjahreszeitraumes liegen. In der Zeit ab 01.01.2002 verlieren diese Zeiten zumindest für junge Versicherte an Bedeutung, da mit Wirkung vom 01.01.2002 an acht Jahre Ausbildungszeiten als Anrechnungszeiten anerkennungsfähig sind (§ 58 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI in der Fassung ab 01.01.2002).
    Siehe Beispiel 5
    Beachte:
    Bei Eintritt der teilweisen beziehungsweise vollen Erwerbsminderung während der schulischen Ausbildung oder vor Ablauf von 6 Jahren nach Ende der schulischen Ausbildung kommt es nicht darauf an, ob die '3/5-Belegung' gegeben ist. Es gilt dann § 43 Abs. 5 SGB VI (vergleiche Abschnitt 6.2, Tatbestand zur vorzeitigen Wartezeiterfüllung).
  • Ersatzzeiten vor 1992
    Es müssen die in §§ 250, 251 SGB VI genannten Voraussetzungen erfüllt sein.

Zeiten einer Strafhaft verlängern den maßgeblichen Fünfjahreszeitraum nicht, BSG vom 24.10.2013, AZ: B 13 R 83/11 R.

Pflichtbeitragszeiten

Ist der Zeitraum von fünf Jahren ermittelt, muss festgestellt werden, ob in dieser Zeit für mindestens 3 Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorhanden sind. Es müssen mindestens 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen im Sinne des § 55 Abs. 2 SGB VI belegt sein.

Pflichtbeiträge in diesem Sinne sind insbesondere:

  • Pflichtbeiträge von Beschäftigten (§ 1 SGB VI),
  • Pflichtbeiträge von selbständig Tätigen (§ 2 SGB VI),
  • Pflichtbeiträge von sonstigen Versicherten (§ 3 SGB VI), zum Beispiel für Zeiten
    • der Kindererziehung,
    • der Wehr- oder Zivildienstpflicht,
    • des Bezugs von Krankengeld, Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe ab 01.01.1992 sowie Arbeitslosengeld II vom 01.01.2005 bis 31.12.2010,
    • der nicht erwerbsmäßigen häuslichen Pflege,
  • Pflichtbeiträge aufgrund einer Antragspflichtversicherung (§ 4 SGB VI),
  • Zeiten der geringfügigen Beschäftigung nach § 8 SGB IV nur
  • Beiträge aufgrund einer Nachversicherung (§§ 8 Abs. 1 S. 2, 185 Abs. 2 S. 1 SGB VI),
  • Pflichtbeiträge im Rahmen von §§ 229, 229a SGB VI,
  • Anrechnungszeiten, für die in der Zeit vom 01.01.1984 bis 31.12.1991 'Beiträge' gezahlt worden sind, an denen neben den Versicherten auch der Leistungsträger beteiligt war (§ 247 Abs. 1 SGB VI). Es handelt sich hierbei um die früheren Ausfallzeiten nach § 36 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) AVG für Krankengeld-, Versorgungskrankengeld-, Verletztengeld- oder Übergangsgeldbezieher, für die Beiträge nach § 112b Abs. 1 AVG durch die Versicherten und den jeweiligen Leistungsträger gezahlt worden sind.
  • Zeiten, für die
    • die Bundesanstalt für Arbeit in der Zeit vom 01.07.1978 bis 31.12.1982 oder
    • ein anderer Leistungsträger in der Zeit vom 01.10.1974 bis 31.12.1983
    wegen des Bezugs von Sozialleistungen Pflichtbeiträge gezahlt hat (§ 247 Abs. 2 SGB VI),
  • Zeiten, die den Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit nach Bundesrecht gleichgestellt sind (zum Beispiel nach dem FRG oder nach über- beziehungsweise zwischenstaatlichen Regelungen),
  • Zeiten im Beitrittsgebiet, soweit sie unter Beachtung des § 248 SGB VI als Pflichtbeiträge gelten,
  • Zeiten der Nachzahlung freiwilliger Beiträge für eine unschuldig erlittene Strafverfolgungsmaßnahme, wenn dadurch eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit unterbrochen worden ist (§ 205 Abs. 1 S. 3 SGB VI),
  • Beiträge, die von einem Drittschädiger im Wege des Schadensersatzes nach § 119 Abs. 3 S. 1 SGB X gezahlt wurden; bis 31.12.2000 jedoch nur, wenn der Geschädigte im Zeitpunkt des Schadensereignisses pflichtversichert war,
  • Beiträge von Pflegepersonen in der Zeit vom 01.01.1992 bis 31.03.1995, die gemäß § 279e SGB VI als Pflichtbeiträge gelten,
  • Zeiten nach § 5 AAÜG,
  • Beiträge, die als gezahlt gelten (§ 203 SGB VI).
  • Bezugszeiten von Ausgleichsgeld nach dem Gesetz zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit,
  • auf den gesamten Beschäftigungszeitraum vor dem 01.01.1989 umgelegte Teilbeträge aufgrund einer Quotierung im Konkursverfahren (FAVR 3/90, TOP 4),

Keine Pflichtbeitragszeiten sind

  • übertragene/begründete Rentenanwartschaften aus dem Versorgungsausgleich (Urteile des BSG vom 31.05.1989, AZ: 4 RA 4/88, SozR 2200 § 1246 Nr. 166, und BSG vom 19.04.1990, AZ: 1 RA 63/89); diese Zeiten können selbst dann nicht den Pflichtbeitragszeiten gleichgestellt werden, wenn sie ganz oder teilweise aus einer Pflichtbeitragszahlung des geschiedenen Ehegatten/früheren Lebenspartners stammen,
  • Rentenanwartschaften aus dem Rentensplitting; diese Zeiten können selbst dann nicht den Pflichtbeitragszeiten gleichgestellt werden, wenn sie ganz oder teilweise aus einer Pflichtbeitragszahlung des Ehegatten/Lebenspartners stammen,
  • die sich durch Zuschläge für Entgeltpunkte aus geringfügiger Beschäftigung ergebenden Monate
    • ab 01.04.1999 aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung nach § 244a SGB VI und
    • ab 01.01.2013 aus geringfügiger Beschäftigung, für die Beschäftigte von der Versicherungspflicht befreit sind, nach § 52 Abs. 2 SGB VI,
    Diese Zeiten gelten ausschließlich für die Erfüllung der Wartezeit.
  • Zeiten, für die in der Zeit vom 01.01.1984 bis 31.12.1991 für Entgeltersatzleistungen infolge Arbeitslosigkeit (§ 1385a RVO), für Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld oder für Kranken- und Verletztengeld in Höhe der Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (§ 1385b Abs. 1 RVO) oder für Ausfallzeiten wegen Arbeitsunfähigkeit (§1385b Abs. 2 RVO) Beiträge gezahlt wurden, weil diese Beiträge allein vom Sozialleistungsträger beziehungsweise vom Versicherten getragen wurden (vergleiche § 247 Abs. 1 S. 2 SGB VI),
  • Zeiten, für die Entgeltpunkte gutgeschrieben worden sind, weil gleichzeitig Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung oder Zeiten der Pflege eines pflegebedürftigen Kindes für mehrere Kinder vorliegen (§ 55 Abs. 1 S. 3 SGB VI in Verbindung mit § 70 Abs. 3a SGB VI),
  • Zeiten der Versicherungspflicht als selbständig Tätiger ohne tatsächliche Beitragszahlung (§ 165 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB VI in der Fassung bis 31.12.1998),
  • Pflichtbeiträge zur Alterssicherung der Landwirte nach dem ALG beziehungsweise vor dem 01.01.1995 nach dem GAL (Urteile des BSG vom 22.02.1990, AZ: 4 RA 62/89, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 3, BSG vom 27.06.1990, AZ: 5 RJ 19/89, SozR 3-2200 § 1246 Nr. 6, und BSG vom 19.05.2004, AZ: B 13 RJ 4/04 R).

Tatbestand zur vorzeitigen Wartezeiterfüllung

Die 3/5-Belegung ist nach § 43 Abs. 5 SGB VI nicht erforderlich, wenn ein Tatbestand zur vorzeitigen Wartezeiterfüllung im Sinne der §§ 53, 245 SGB VI vorliegt. Ein solcher Tatbestand liegt vor bei Eintritt der Erwerbsminderung

  • aufgrund eines Arbeitsunfalls, einer Berufskrankheit, einer Wehr- oder Zivildienstbeschädigung oder eines Gewahrsams im Sinne des § 1 HHG (vergleiche § 53 Abs. 1 SGB VI) oder
  • innerhalb von 6 Jahren nach Beendigung einer Ausbildung (vergleiche § 53 Abs. 2 SGB VI, der hier nach übereinstimmender Auffassung der Rentenversicherungsträger entsprechend auch bei Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung gilt),
  • in der Zeit vom 01.01.1984 bis 31.12.1991 aufgrund eines Ereignisses im Sinne des § 245 Abs. 2 SGB VI.

Ist die allgemeine Wartezeit nach §§ 53, 245 SGB VI vorzeitig erfüllt, sind keine weiteren Ermittlungen erforderlich, da in diesen Fällen die Tatbestände der §§ 53, 245 SGB VI bereits geprüft worden sind.

Ist die allgemeine Wartezeit dagegen erfüllt, muss gegebenenfalls zusätzlich festgestellt werden, ob ein Tatbestand im oben angeführten Sinne vorliegt. Hierzu ist die GRA zu § 53 SGB VI mit der Besonderheit zu beachten, dass nach übereinstimmender Auffassung der Rentenversicherungsträger die versicherungsrechtlichen Bedingungen in § 53 Abs. 1 S. 2 SGB VI und § 53 Abs. 2 S. 1 letzter Halbs. SGB VI (Versicherungspflicht, 12 Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten zwei Jahren) nicht zu den Tatbestandsmerkmalen gehören (siehe RBRTB 1/93, TOP 10; RBRTS 1/93, TOP 5) und § 53 Abs. 2 SGB VI im Rahmen des § 43 Abs. 5 SGB VI auch für die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gilt (siehe AGFAVR 6/89, TOP 4).

Siehe Beispiel 6

Anwartschaftserhaltung nach § 241 SGB VI

Zur Erfüllung der besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen durch Anwartschaftserhaltungszeiten für Zeiten ab 01.01.1984 vergleiche GRA zu § 241 SGB VI.

Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 6 SGB VI

An Versicherte, die bei Eintritt der vollen Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI die allgemeine Wartezeit - auch vorzeitig - nicht erfüllt haben (zum Beispiel bei einem von Geburt an behinderten Versicherten), ist die Leistung einer vollen Erwerbsminderungsrente unter den Voraussetzungen des § 43 Abs. 6 SGB VI möglich. Überwiegend handelt es sich hierbei um nach § 1 S. 1 Nr. 2 SGB VI versicherte behinderte Menschen in einer WfbM. Für die in dieser Vorschrift genannten Personen (zum Beispiel behinderte Menschen) stellt § 43 Abs. 6 SGB VI regelmäßig die einzige Möglichkeit für den Erwerb eines Anspruchs auf Rente wegen voller Erwerbsminderung dar.

Die Bedingung 'volle Erwerbsminderung vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit' hat zur Folge, dass ausschließlich Versicherte, die

  • keine Rente nach den Vorschriften des SGB VI (weil die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben sind) oder
  • lediglich eine Invalidenrente nach Art. 2 § 10 RÜG

beziehen, einen Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 6 SGB VI realisieren können. Für Versicherte, die bereits Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente nach den Vorschriften des SGB VI haben, kann allenfalls ein Anspruch auf Neufeststellung dieser Rente gemäß § 75 Abs. 3 SGB VI bestehen, wenn nach Eintritt der vollen Erwerbsminderung mindestens 20 Jahre an Beitragszeiten vorhanden sind. Das gilt insbesondere für gemäß § 302a SGB VI überführte Invalidenrenten des Beitrittsgebietes.

Die Wartezeit für eine Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 6 SGB VI beträgt 20 Jahre (vergleiche § 50 Abs. 2 SGB VI). Auf diese Wartezeit von 20 Jahren werden Kalendermonate mit Beitrags- und Ersatzzeiten angerechnet (§ 51 Abs. 1 und 4 SGB VI). Die Wartezeit kann auch zusammen oder allein mit den sich nach § 52 Abs. 1 und 1a SGB VI aus dem Versorgungsausgleich und dem Rentensplitting ergebenden Monaten erfüllt werden. Ferner zählen für die Wartezeit die Monate, die sich durch Zuschläge für Entgeltpunkte aus geringfügiger Beschäftigung ergeben. Hierzu zählen:

  • ab 01.04.1999 Wartezeitmonate aus Zuschlägen für Entgeltpunkte aus geringfügiger versicherungsfreier Beschäftigung (§ 244a SGB VI) und
  • ab 01.01.2013 Wartezeitmonate aus Zuschlägen für Entgeltpunkte aus geringfügiger Beschäftigung, für die Beschäftigte von der Versicherungspflicht befreit sind, (§ 52 Abs. 2 SGB VI).

Einzelheiten zu diesen Zeiten ergeben sich aus der GRA zu § 52 SGB VI.

Hinsichtlich der Wartezeitmonate aus dem Versorgungsausgleich ist bezogen auf die Grundvoraussetzung des § 43 Abs. 6 SGB VI (Eintritt der vollen Erwerbsminderung vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit) Folgendes zu beachten:

Ist die Erwerbsminderung vor dem Beginn oder während der Ehe- beziehungsweise Lebenspartnerschaftszeit eingetreten, sind die Wartezeitmonate aus dem Versorgungsausgleich nicht für die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung zu berücksichtigen. Nach § 52 Abs. 1 SGB VI können die im Rahmen eines Versorgungsausgleichs zu ermittelnden Wartezeitmonate zeitlich nicht bestimmten Kalendermonaten zugeordnet werden, das heißt diese Wartezeitmonate lassen sich auch nicht ganz oder teilweise einem Zeitraum in der Ehe- beziehungsweise Lebenspartnerschaftszeit zuordnen, der vor Eintritt der Erwerbsminderung liegt. Dies hat zur Folge, dass ein Anspruch nach § 43 Abs. 6 SGB VI weiterhin möglich ist.

Tritt die Erwerbsminderung hingegen nach dem Ende der Ehe- beziehungsweise Lebenspartnerschaftszeit ein, kommt es bei einer Übertragung oder/und Begründung von Rentenanwartschaften gemäß §§ 10, 14 Abs. 2 VersAusglG in Verbindung mit §§ 15 Abs. 1, 16 VersAusglG, § 1587b Abs. 1 und 2 BGB, § 1 Abs. 3 VAHRG, § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG nicht darauf an, ob die Entscheidung über den Versorgungsausgleich erst nach Eintritt der vollen Erwerbsminderung rechtskräftig und wirksam geworden ist. Wird in einem derartigen Fall die allgemeine Wartezeit vor dem Eintritt der vollen Erwerbsminderung durch die Monate aus dem Versorgungsausgleich erfüllt, ist ein Anspruch auf die Rente wegen voller Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 6 SGB VI ausgeschlossen.

Entsprechende Rechtsfolgen ergeben sich beim Rentensplitting.

Die Anspruchsvoraussetzungen für eine volle Erwerbsminderungsrente nach § 43 Abs. 6 SGB VI liegen bei ununterbrochener voller Erwerbsminderung mit dem 240. Beitragsmonat vor. Handelt es sich hierbei um einen freiwilligen Beitrag, ist der Zeitpunkt der Beitragszahlung maßgebend (vergleiche GRA zu § 99 SGB VI).

Als Voraussetzung für den Anspruch auf Rente nach § 43 Abs. 6 SGB VI muss volle Erwerbsminderung im Sinne von § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI bis zur Erfüllung der Wartezeit von 20 Jahren ununterbrochen vorgelegen haben. Allein eine Unterbrechung, die noch vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit endete, ist im Rahmen des § 43 Abs. 6 SGB VI unschädlich.

Ob aufgrund einer nur vorübergehenden Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von einem in Bezug auf diese Regelung schädlichen Unterbrechungstatbestand ausgegangen werden muss, lässt sich regelmäßig nur retrospektiv nach den Umständen des Einzelfalls beurteilen. Nur wenn die Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt retrospektiv als erfolgloser Eingliederungsversuch in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu werten ist, liegt keine im Rahmen des § 43 Abs. 6 SGB VI schädliche Unterbrechung des Zustands voller Erwerbsminderung vor (siehe AGFAVR 3/94, TOP 8).

Weitere besondere versicherungsrechtliche Voraussetzungen sind für diese volle Erwerbsminderungsrente nicht zu erfüllen.

Die Leistung einer vollen Erwerbsminderungsrente nach § 43 Abs. 6 SGB VI ist nicht möglich, wenn die allgemeine Wartezeit vor Eintritt der vollen Erwerbsminderung bereits erfüllt war, ein Rentenanspruch nach § 43 Abs. 2 SGB VI jedoch daran scheitert, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.

Rentenbeginn

Der Beginn der Rente wegen teilweiser beziehungsweise voller Erwerbsminderung richtet sich nach § 99 Abs. 1 SGB VI. Danach beginnt die Rente bei rechtzeitiger Antragstellung mit dem Kalendermonat, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen vorliegen. Wird die Rente verspätet beantragt, beginnt sie mit Beginn des Antragsmonats (vergleiche GRA zu § 99 SGB VI und GRA zu § 101 SGB VI).

Befristete Renten wegen teilweiser beziehungsweise voller Erwerbsminderung werden nach § 101 Abs. 1 SGB VI für die ersten 6 Kalendermonate nach Eintritt der teilweisen beziehungsweise vollen Erwerbsminderung nicht geleistet, es sein denn, es liegt ein Ausnahmefall der Nahtlosigkeit nach § 101 Abs. 1a SGB VI vor (vergleiche GRA zu § 101 SGB VI).

Zum erneuten Beginn einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund des verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes nach ihrem zwischenzeitlichen Wegfall wegen der Ausübung einer (Teilzeit-)Beschäftigung, vergleiche auch GRA zu § 101 SGB VI, Abschnitt 3.1.

Der Tag der Antragstellung auf Leistungen der Grundsicherung nach §§ 41 ff. SGB XII gilt nicht als Antragsdatum für eine Rente wegen (voller) Erwerbsminderung (RBRTN 1/2007, TOP 22).

Befristung/Rentenende

Eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung ist nach § 102 Abs. 2 und 2a SGB VI grundsätzlich zu befristen, vergleiche GRA zu § 102 SGB VI.

Liegt teilweise beziehungsweise volle Erwerbsminderung nur auf Zeit vor, ist die Rente auf das Ende des Kalendermonats zu befristen, in dem die teilweise beziehungsweise volle Erwerbsminderung voraussichtlich endet (§ 102 Abs. 1 SGB VI).

Ist die teilweise beziehungsweise volle Erwerbsminderung schon vor Ablauf des Kalendermonats, auf den der Anspruch befristet ist, behoben (zum Beispiel durch Aufnahme einer Beschäftigung oder Tätigkeit), endet der Anspruch auf die teilweise beziehungsweise volle Erwerbsminderungsrente gegebenenfalls bereits vor dem im Bescheid genannten Wegfallzeitpunkt.

Da der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung längstens bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (vergleiche GRA zu § 35 SGB VI und GRA zu § 235 SGB VI) besteht (§ 43 Abs. 1 und 2 SGB VI), ist dieser (auch bei Dauerrenten) entsprechend zu begrenzen. Die Begrenzung des Rentenanspruchs muss - gleichgültig bis zu welchem Zeitpunkt - immer im Tenor des Rentenbescheides ausgesprochen werden. Denn nur dann erledigt sich der Verwaltungsakt durch Zeitablauf von selbst (§ 102 SGB VI in Verbindung mit § 39 Abs. 2 SGB X), sodass es seiner formellen Aufhebung nach § 48 SGB X nicht bedarf.

An Versicherte, die bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung bezogen haben, ist anschließend Regelaltersrente zu leisten, sofern der Versicherte nicht eine abweichende Bestimmung trifft (§ 115 Abs. 3 S. 1 SGB VI). Mit der abweichenden Bestimmung kann der Versicherte nicht bewirken, dass die Rente wegen teilweiser beziehungsweise voller Erwerbsminderung weitergeleistet wird.

Der Anspruch auf Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung endet mit dem Wegfall der Voraussetzungen, spätestens mit dem Tod. Bei Tod des Versicherten vergleiche auch GRA zu § 102 SGB VI, Abschnitt 9.

Hinzuverdienst

Neben dem Bezug einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung ist ein Hinzuverdienst möglich und wird (insbesondere bei der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung) von den Versicherten auch erwartet. Grundvoraussetzung für einen Hinzuverdienst ist jedoch, dass die ausgeübte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit dem Grundanspruch nicht entgegensteht.

Bei Aufnahme einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit ist daher (ggf. nach erfolgter Arbeitserprobung, siehe Abschnitt 12) stets zu prüfen, ob unter Berücksichtigung dieser Beschäftigung oder Tätigkeit weiterhin teilweise oder volle Erwerbsminderung vorliegt. Solange die ausgeübte Beschäftigung oder Tätigkeit die vorliegende teilweise oder volle Erwerbsminderung nicht beseitigt, besteht der Rentenanspruch zumindest dem Grunde nach. Wird dagegen die teilweise oder volle Erwerbsminderung durch die ausgeübte Beschäftigung oder Tätigkeit (ggf. nach erfolgter Arbeitserprobung) beseitigt, ist die Rente zu entziehen (vergleiche Abschnitte 11 und 12).

Im Rahmen der Prüfung ergeben sich bei Ausübung einer Beschäftigung im Inland in Abhängigkeit vom erzielten Arbeitsentgelt folgende Fallgestaltungen:

  • Beträgt das monatliche Arbeitsentgelt weniger als 810,00 EUR (im Jahr 2023:780,00 EUR, bis 31.12.2022: nicht mehr als 525,00 EUR), ist grundsätzlich die Annahme gerechtfertigt, dass eine Arbeitszeit von 3 Stunden täglich (15 Stunden wöchentlich) nicht erreicht wird (siehe AGVR 3/2022, TOP 5, AGEM 1/2017, TOP 2.1, Anlage 1). Volle Erwerbsminderung besteht im Regelfall weiter.
  • Wird ein monatliches Arbeitsentgelt von 810,00 EUR und mehr (im Jahr 2023: 780,00 EUR und mehr, bis 31.12.2022: von mehr als 525,00 EUR) bei einer täglichen Arbeitszeit von weniger als 3 Stunden erzielt, besteht volle Erwerbsminderung ebenfalls im Regelfall weiter.

Wegen des im Ausland anderen Verdienstniveaus kann die o.a. Entgeltgrenze von 810,00 EUR (im Jahr 2023: 780,00 EUR) auf Beschäftigungen nach ausländischen Rechtsvorschriften nicht übertragen werden. Maßgeblich ist ausschließlich der zeitliche Umfang einer solchen Beschäftigung oder Tätigkeit.

Arbeitet der Bezieher einer Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung tatsächlich täglich 6 beziehungsweise 3 Stunden und mehr, kann die tatsächliche Arbeitsleistung ein Beweismittel sein, das die medizinische Beurteilung widerlegt. Nach Feststellung des BSG ist „im Allgemeinen davon auszugehen, dass derjenige, der eine Arbeit tatsächlich verrichtet, dazu auch gesundheitlich in der Lage ist“ (Urteil BSG vom 23.04.1990, AZ: 5 RJ 84/89). Dies bedeutet, dass der tatsächlichen Berufsausübung ein höherer Beweiswert zukommt, als den medizinischen Befunden. Dies gilt insbesondere bei selbständig Tätigen, da diese ihre Tätigkeit regelmäßig so gestalten können, dass sie dem Restleistungsvermögen entspricht (siehe AGVR 3/2022, TOP 5). Ein höherer Beweiswert ergibt sich ausnahmsweise nur dann nicht, wenn die tatsächliche Berufsausübung unter unzumutbaren Schmerzen oder unter einer unzumutbaren Anstrengung der Willenskraft oder auf Kosten der Restgesundheit, das heißt unter der unmittelbaren und konkreten Gefahr der Verschlechterung des Gesundheitszustandes erfolgt (siehe AGEM 1/2019, TOP 12.1).

Nur wenn bei Aufnahme der Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit weiterhin teilweise und/oder volle Erwerbsminderung gegeben ist, finden im weiteren Schritt §§ 96a, 313 SGB VI Anwendung. Zu den einzelnen Regelungen zum Hinzuverdienst wird auf die GRA zu § 96a SGB VI und die GRA zu § 313 SGB VI verwiesen.

Bei den Regelungen der §§ 96a, 313 SGB VI handelt es sich nicht um negative Anspruchsvoraussetzungen. Selbst beim Überschreiten der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen bleibt der Anspruch dem Grunde nach bestehen, sofern teilweise oder volle Erwerbsminderung weiter vorliegt.

Entziehung

Die Rente wegen teilweiser beziehungsweise voller Erwerbsminderung ist zu entziehen, wenn aufgrund nachträglicher Änderung der tatsächlichen Verhältnisse teilweise beziehungsweise volle Erwerbsminderung nicht mehr besteht (§ 100 Abs. 3 SGB VI in Verbindung mit § 48 SGB X). Dies gilt auch für befristete Renten wegen teilweiser beziehungsweise voller Erwerbsminderung. Die Änderung in den Verhältnissen des Versicherten kann sich beispielsweise aufgrund der Besserung des Gesundheitszustandes, des Erwerbs neuer Qualifikationen oder unter Umständen der Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes (auch Teilzeitarbeitsplatzes) ergeben. Zur Entziehung der Rente ist ein Vergleich der Verhältnisse zum Zeitpunkt der neuen Entscheidung mit denen zum Zeitpunkt der ursprünglichen Rentenbewilligung erforderlich.

Die Entziehung der Rente erfolgt - nach vorheriger Anhörung (vergleiche GRA zu § 24 SGB X) - durch einen Aufhebungsbescheid. Da die Entziehung eine nachträgliche Änderung in den Verhältnissen des Versicherten voraussetzt, richtet sich der Aufhebungsbescheid materiell und formell nach § 48 SGB X. Näheres vergleiche GRA zu § 100 SGB VI und GRA zu § 48 SGB X.

Besonderheiten ergeben sich im Zusammenhang mit einer Arbeitserprobung nach § 43 Abs. 7 SGB VI (siehe Abschnitt 12). Für die Zeit einer Arbeitserprobung stellt die Vorschrift sicher, dass der Anspruch auf die Rente wegen Erwerbsminderung bis zum Ende der Erprobungszeit weiterhin besteht, sofern allein die Aufnahme der Beschäftigung der Grund für den Wegfall des Rentenanspruchs wäre. Damit besteht der Anspruch auf die Rente wegen Erwerbsminderung während der Arbeitserprobung auch dann, wenn die Erwerbsminderung aufgrund der erbrachten Arbeitsleistung bereits zu einem früheren Zeitpunkt entfallen ist (siehe Abschnitt 10). § 100 Abs. 3 SGB VI findet in diesen Fällen keine Anwendung.

Arbeitserprobung nach § 43 Abs. 7 SGB VI

§ 43 SGB VI wurde mit Wirkung zum 01.01.2024 um einen Absatz 7 erweitert. Hiermit sollen Erwerbsgeminderte weitgehender als bisher bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt unterstützt werden.

Beziehende einer Rente wegen Erwerbsminderung haben danach die Möglichkeit, vor einer möglichen Entziehung der Rente wegen Erwerbsminderung zunächst zu erproben, ob eine Erwerbstätigkeit oberhalb des bisher festgestellten Leistungsvermögens wieder möglich ist.

Eine Arbeitserprobung nach § 43 Abs. 7 SGB VI ist nicht nur bei Bezug einer medizinisch bedingten Rente wegen Erwerbsminderung möglich. Erfasst werden nach übereinstimmender Auffassung aller Rentenversicherungsträger auch Bezieher einer arbeitsmarktbedingten Rente wegen voller Erwerbsminderung, die eine Erwerbstätigkeit im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens aufnehmen. Bei diesem Personenkreis steht der Wiedereingliederungsgedanke besonders im Vordergrund, da er noch über ein 3 bis unter 6-stündiges Leistungsvermögen verfügt. Ebenso wird der Bezug von Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach §§ 302a, 302b SGB VI erfasst.

Auch eine im Jahr 2023 aufgenommene Erwerbstätigkeit, die nach dem 31.12.2023 fortgeführt wird, kann eine Arbeitserprobung im Sinne des § 43 Abs. 7 SGB VI sein.

Nach dem Wortlaut der Regelung besteht für einen Zeitraum von regelmäßig 6 Monaten ab Beginn der Ausübung weiterhin Anspruch auf die gewährte Rente. Der Begriff „regelmäßig“ bindet das Ermessen der Verwaltung im Sinne einer Soll-Vorschrift. Aus sozialmedizinischer Sicht bedarf die Rückkehr von Erwerbsminderungsrentenbeziehenden ins Erwerbsleben regelmäßig eines längeren Erprobungszeitraums (zum Beispiel: EGEM 2/2021, TOP 2). Um die Erwerbsfähigkeit zuverlässig einschätzen zu können, ist deshalb in der Regel ein Zeitraum von mindestens 6 Monaten erforderlich. Eine Abweichung zugunsten der Rentenbeziehenden ist möglich (zum Beispiel Verlängerung der Erprobung bei Arbeitsplatzwechsel, Wechsel des Aufgabenbereichs, schwankender Verlauf mit positiver Tendenz). Eine Verkürzung des Regelzeitraums ist in atypischen Fällen bei Vorliegen entsprechender Gründe ebenfalls möglich. Von atypischen Fällen ist zum Beispiel auszugehen, wenn Versicherte einen kürzeren Erprobungszeitraum ausdrücklich wünschen oder wenn bei Ablauf einer befristeten Rente der Regelzeitraum von 6 Monaten noch nicht erreicht ist. Ist bei einer befristeten Rente der Regelzeitraum noch nicht erreicht, endet die Rente grundsätzlich mit dem Ende der Befristung. Stellen die Versicherten einen Antrag auf Weiterzahlung der Rente, ist zu entscheiden, ob die Erwerbsminderung weiterhin vorliegt oder nicht.

Eine Arbeitserprobung muss vom Rentenbeziehenden nicht ausdrücklich beantragt oder als solche angezeigt werden. Weder der Wortlaut noch die gesetzliche Begründung sehen eine Anzeigepflicht vor. Das hat zur Folge, dass bei jeder Arbeitsaufnahme (auch ohne ausdrückliche Ankündigung eines Arbeitsversuchs) die Voraussetzungen des § 43 Abs. 7 SGB VI zu prüfen sind.

War eine Arbeitserprobung zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen nicht erfolgreich, können weitere Arbeitserprobungen in Betracht kommen. Mögliche Indizien für das Scheitern einer Arbeitserprobung aus gesundheitlichen Gründen können häufige Arbeitsunfähigkeitszeiten, ärztliche Bescheinigungen oder Bescheinigungen des Arbeitgebers sein. 

Bei Aufnahme der Erwerbstätigkeit ist weder zu prüfen, ob die Erwerbstätigkeit dem Leistungsvermögen entspricht, noch eine Prognose zu treffen, ob das Ziel einer erfolgreichen Integration in den allgemeinen Arbeitsmarkt voraussichtlich erreicht werden kann. Etwas anderes gilt allerdings, wenn eine Unterstützung der Arbeitserprobung mit Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erfolgen soll. Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sind nach § 10 SGB VI nur möglich, wenn eine positive Prognose zu einer möglichen Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit vorliegt.

Während der Arbeitserprobung ist der Hinzuverdienst nach § 96a SGB VI zu berücksichtigen. Führt dies dazu, dass die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung wegen der Anwendung des § 89 SGB VI günstiger ist, ist diese zu leisten.

§ 43 Abs. 7 SGB VI stellt für Arbeitserprobungen sicher, dass die Rente bis zum Ende der Arbeitserprobung weiterzuzahlen ist, sofern allein die Aufnahme der Beschäftigung der Grund für den Wegfall des Rentenanspruchs ist. § 100 Abs. 3 SGB VI findet in diesen Fällen keine Anwendung. War die Arbeitserprobung erfolgreich, entfallen die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente wegen Erwerbsminderung frühestens mit dem Ende der Erprobung gemäß § 43 Abs. 7 SGB VI. Ausgehend von diesem Zeitpunkt ist die Rente zu entziehen (siehe Abschnitt 11).

Verschlechterung des Leistungsvermögens bei Rentenbezug

Verschlechtert sich das Leistungsvermögen während des Rentenbezugs, ist zu unterscheiden, ob eine Rente wegen voller Erwerbsminderung oder eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bezogen wird. Im Einzelnen gilt Folgendes:

  • Rente wegen voller Erwerbsminderung
    Erhalten Versicherte mit einem Leistungsvermögen von 3 bis unter 6 Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt eine Rente wegen voller Erwerbsminderung aufgrund eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes (vergleiche Abschnitt 3.2) und verschlechtert sich das Leistungsvermögen auf unter 3 Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, tritt der Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung nicht erneut ein. Unabhängig davon, ob die Erwerbsminderung auf medizinischen oder arbeitsmarktbedingten Gründen beruht, handelt es sich um einen einheitlichen Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung. Dies hat zur Folge, dass es auch bei einer Verschlechterung des Leistungsvermögens bei dem ursprünglichen Zeitpunkt der vollen Erwerbsminderung verbleibt und sich nur die Begründung für die Rentengewährung ändert.
    Die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und die allgemeine Wartezeit sind im Falle einer erneuten Antragstellung bei fortbestehender voller Erwerbsminderung nicht nochmals zu prüfen, da es beim ursprünglichen Leistungsfall verbleibt.
  • Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit:
    Beziehen Versicherte eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI und verschlechtert sich das Leistungsvermögen auf 3 bis unter 6 Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, kann neben der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ein Anspruch auf die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI entstehen. Bei der teilweisen Erwerbsminderung und der teilweisen Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit handelt es sich um zwei voneinander unabhängige Leistungsfälle. Dies zeigt sich bereits darin, dass die beiden Leistungen in unterschiedlichen Vorschriften definiert sind.
    Damit kann - sofern sich die Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI als günstigere Rente erweist - diese unter Beachtung von § 89 SGB VI als paralleler Anspruch neben der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bewilligt werden. Voraussetzung ist jedoch, dass die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen und die allgemeine Wartezeit im Zeitpunkt der teilweisen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI erfüllt sind.

Verminderte Erwerbsfähigkeit nach dem Recht bis 31.12.2000

Die § 43 Abs. 2 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 und § 44 Abs. 2 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 bestimmen den Berufsunfähigkeits- beziehungsweise Erwerbsunfähigkeits-Begriff vor dem Inkrafttreten (01.01.2001) des EM-ReformG vom 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827).

Für Renten, die ab 01.07.2017 nach § 302b Abs. 1 und 2 SGB VI als Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung gelten, weil sie vor dem 01.01.2001 begonnen haben und die am 30.06.2017 weiterhin geleistet wurden, gelten die Vorschriften der §§ 43 Abs. 2 und 44 Abs. 2 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 hinsichtlich der Vorliegens von Berufsunfähigkeit oder Erwerbsunfähigkeit weiterhin. Alternativ kann für die Zeit ab 01.07.2017 auch teilweise oder volle Erwerbsminderung zum weiteren Anspruch in Bestandsfällen führen (vergleiche GRA zu § 302b SGB VI).

Dieser Abschnitt (mit den zugehörigen Unterabschnitten) findet im Wesentlichen nur noch Anwendung bei der Weiterzahlung von Renten, die nach § 302b Abs. 1 und 2 SGB VI ab 01.07.2017 als Renten wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung gelten und aufgrund von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit aufgrund eines verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes geleistet wurden (§ 302b Abs. 3 SGB VI beziehungsweise § 314b SGB VI in der Fassung bis 30.06.2017) sowie bei Nachprüfungen der weiteren Rentenberechtigung und Verbesserung des Leistungsvermögens.

Die Begriffe der Berufsunfähigkeit und der Erwerbsunfähigkeit sind gegenüber dem bis zum 31.12.1991 geltenden Recht nicht geändert worden. Es gilt daher weiterhin die konkrete Betrachtungsweise im Sinne des Beschlusses des Großen Senats des BSG vom 10.12.1976, AZ: GS 2, 3, 4/75, 3/76, SozR 2200 § 1246 Nr. 13. Einzelheiten hierzu sind dem Abschnitt 4 zu entnehmen.

Bei Versicherten, die nach dem bis 31.12.2000 geltenden Recht zu beurteilen sind, kann folgendes zeitliches (quantitatives) Leistungsvermögen vorliegen:

  • ein vollschichtiges Leistungsvermögen,
  • ein halbschichtig bis unter vollschichtiges Leistungsvermögen,
  • Leistungsvermögen von zwei Stunden bis unter halbschichtig,
  • Leistungsvermögen weniger als zwei Stunden

Diese zeitlichen Leistungsvermögen können für die letzte berufliche Tätigkeit und/oder für Tätigkeiten des sogenannten allgemeinen Arbeitsmarktes vorliegen (siehe Abschnitt 2.1).

Zu den Folgen eines Eingliederungsversuches wird auf Abschnitt 3.4 verwiesen.

Vollschichtiges Leistungsvermögen

Bei einem insgesamt vollschichtigen Leistungsvermögen liegt keine rentenrechtlich relevante Erwerbsminderung vor. Ein Anspruch auf Rente gemäß § 43 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000, § 44 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 besteht demzufolge nicht.

Ist die vollschichtige Erwerbsfähigkeit nur noch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes erhalten, liegen die gesundheitlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 nicht vor.

Eine Ausnahme von den oben genannten Grundsätzen besteht aber dann, wenn Versicherte wegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung eine Tätigkeit unter betriebsüblichen Bedingungen nicht mehr verrichten können (siehe Abschnitt 3.1.2).

Ist die Leistungsfähigkeit im bisherigen Beruf (Hauptberuf) und für zumutbare Verweisungstätigkeiten auf unter vollschichtig gesunken, kann ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 in Betracht kommen (siehe GRA zu § 240 SGB VI, Abschnitt 6).

Halb- bis unter vollschichtiges Leistungsvermögen

Ist das Leistungsvermögen von Versicherten lediglich im bisherigen Beruf (Hauptberuf) und für zumutbare Verweisungstätigkeiten auf halb- bis unter vollschichtig täglich gesunken, kann ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 in Betracht kommen (siehe GRA zu § 240 SGB VI, Abschnitt 6.1.2).

Bei einem halb- bis unter vollschichtigen Leistungsvermögen täglich für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes liegt gemäß den Bestimmungen des § 44 Abs. 2 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht vor. Die Versicherten sind noch in der Lage, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder ein Arbeitsentgelt beziehungsweise Arbeitseinkommen zu erzielen, das monatlich 450,00 EUR (bis 31.12.2001: 322,11 EUR/630,00 DM) übersteigt.

Unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zur sogenannten konkreten Betrachtungsweise (siehe Abschnitt 4.1) kann aber ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bestehen, wenn der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist.

Der sogenannte allgemeine Arbeitsmarkt ist verschlossen, wenn Versicherte ein monatliches Arbeitsentgelt von maximal 450,00 EUR (bis 31.12.2001: 322,11 EUR/630,00 DM) erzielen und ihnen auch keine gesundheitlich zumutbare Teilzeittätigkeit vermittelt werden kann. Die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit wird dann nicht nur aus gesundheitlichen Gründen, sondern auch wegen des verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes geleistet (sogenannte Arbeitsmarktrenten).

Bei selbständig Erwerbstätigen kann aufgrund der Bestimmung des § 44 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 keine Erwerbsunfähigkeit vorliegen, vergleiche Abschnitt 14.5.

Leistungsvermögen von 2 Stunden bis unter halbschichtig

Bei 2 Stunden bis unter halbschichtig täglich erwerbsfähigen Versicherten ist zu unterscheiden, ob die verminderte Leistungsfähigkeit lediglich für den bisherigen Beruf (Hauptberuf) und für Verweisungstätigkeiten oder auch für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vorliegt.

Sind Versicherte ausschließlich im bisherigen Beruf und für Verweisungstätigkeiten 2 Stunden bis unter halbschichtig leistungsfähig, ist die GRA zu § 240 SGB VI, Abschnitt 6.1.3, maßgebend.

Liegt ein Leistungsvermögen von 2 Stunden bis unter halbschichtig täglich für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vor, besteht nach der Bestimmung des § 44 Abs. 2 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, denn mit dieser Leistungsfähigkeit sind Versicherte gesundheitlich in der Lage, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und Arbeitsentgelt beziehungsweise Arbeitseinkommen von mehr als 450,00 EUR (bis 31.12.2001: 322,11 EUR/630,00 DM) monatlich zu erzielen.

Eine Ausnahme von den oben genannten Grundsätzen besteht aber dann, wenn Versicherte wegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung eine Tätigkeit unter betriebsüblichen Bedingungen nicht mehr verrichten können (siehe Abschnitt 3.1.2)

Der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit kommt nur bei einem verschlossenen Teilzeitarbeitsmarkt in Betracht. Die Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 10.12.1976, AZ: GS 2, 3, 4/75, 3/76, SozR 2200 § 1246 Nr. 13, zur Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes gelten grundsätzlich für diesen Personenkreis in gleicher Weise wie für halb- bis unter vollschichtig erwerbsfähige Versicherte (siehe Abschnitt 4).

Die Erfahrung in der Zusammenarbeit mit den Dienststellen der Bundesagentur für Arbeit über viele Jahre zeigte, dass versicherungspflichtige Teilzeitarbeitsplätze, die ein regelmäßiges Arbeitseinkommen ermöglichen, für unter halbschichtig erwerbsfähige Versicherte praktisch nicht angeboten werden. Aus diesem Grund gilt bei 2 Stunden bis unter halbschichtig täglich Erwerbsfähigen der Teilzeitarbeitsmarkt als verschlossen.

Ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit besteht nicht, wenn Versicherte ein Arbeitsentgelt erzielen, das monatlich 450,00 EUR (bis 31.12.2001: 322,11 EUR/630,00 DM) übersteigt. Dies gilt auch für Versicherte, die einen Teilzeitarbeitsplatz mit einer täglichen Arbeitszeit von 2 Stunden bis unter halbschichtig ohne zwingenden Grund aufgeben. Der Teilzeitarbeitsmarkt gilt dann nicht als verschlossen.

Bei selbständig Erwerbstätigen kann aufgrund der Bestimmung des § 44 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 keine Erwerbsunfähigkeit vorliegen, vergleiche Abschnitt 14.5.

Leistungsvermögen weniger als 2 Stunden

Ist die Leistungsfähigkeit ausschließlich im bisherigen Beruf (Hauptberuf) und für zumutbare Verweisungstätigkeiten auf unter 2 Stunden täglich gesunken, kann ein Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 in Betracht kommen (siehe GRA zu § 240 SGB VI, Abschnitt 6.1.3).

Liegt ein Leistungsvermögen von unter 2 Stunden täglich für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vor, und üben die Versicherten keine selbständige Tätigkeit aus, besteht ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gemäß § 44 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000. Die Ausübung einer abhängigen Beschäftigung und die Erzielung von Arbeitsentgelt berühren den Rentenanspruch dem Grunde nach nicht.

Die Hinzuverdienstgrenzen gemäß § 313 in Verbindung mit § 96a SGB VI sind zu berücksichtigen. Bestehen aufgrund des gemeldeten Hinzuverdienstes oder der Arbeitszeit Zweifel an dem weiteren Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit, ist unverzüglich eine Überprüfung vorzunehmen.

Bei selbständig Erwerbstätigen kann aufgrund der Bestimmung des § 44 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 keine Erwerbsunfähigkeit vorliegen, vergleiche Abschnitt 14.5.

Ausschluss der Erwerbsunfähigkeit bei selbständiger Tätigkeit

Nach § 44 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 ist nicht erwerbsunfähig, wer eine selbständige Erwerbstätigkeit ausübt.

Eine selbständige Tätigkeit schließt danach eine Annahme von Erwerbsunfähigkeit aus. Dabei kommt es weder auf die Höhe des aus der selbständigen Erwerbstätigkeit erzielten Einkommens noch auf den Umfang der ausgeübten Erwerbstätigkeit an (BSG vom 12.02.1981, AZ: 4 RJ 137/79, und BSG vom 30.04.1981, AZ: 11 RA 32/80, SozR 2200 § 1247 Nr. 32 und 34).

Erwerbsunfähigkeit liegt selbst dann nicht vor, wenn die selbständige Tätigkeit auf Kosten der Gesundheit ausgeübt wird (BSG vom 18.08.1983, AZ: 11 RLw 5/82, SozR 5850 § 2 Nr. 11).

Für die Beurteilung der Frage, ob eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, kommt es auf die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalles an. Der Versicherte muss noch aktiv tätig sein; 'aktiv tätig' in diesem Sinne ist auch der Versicherte, der in seinem Unternehmen, Geschäft, Gewerbe und so weiter nur direktiv tätig ist.

Ist das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit aufgrund einer selbständigen Tätigkeit ausgeschlossen, schließt das nicht die volle Erwerbsminderung gemäß § 43 Abs. 2 SGB VI aus, denn Selbständigkeit ist für sich allein kein Ausschlussgrund für das Vorliegen von voller Erwerbsminderung (siehe GRA zu § 302b SGB VI).

In den Abschnitten 14.5.3 bis 14.5.7 sind selbständige Tätigkeiten und mögliche Beweismittel beispielhaft aufgeführt. Im Einzelfall können auch andere Beweismittel geboten sein. Nicht ausdrücklich angesprochene Erscheinungsformen selbständiger Tätigkeit sind entsprechend zu behandeln.

Ausüben einer selbständigen Tätigkeit

Selbständige Tätigkeit ist jedes aktive oder direktive auf Erwerb gerichtete Handeln. Hierzu gehören nicht nur die typischen Erscheinungsformen selbständiger Tätigkeit, sondern auch die atypischen Formen, in denen persönlicher - zumindest direktiver - Arbeitseinsatz in einer Wechselbeziehung zu einem hierdurch erzielten Einkommen steht. Ein Versicherter übt eine selbständige Tätigkeit aus, wenn er im eigenen Namen und auf eigene Rechnung erwerbstätig ist. Dabei kommt es nicht auf die Art und das Maß der Mitwirkung an. Selbständig ist auch, wer kraft seiner Stellung in dem Betrieb den notwendigen Einfluss zu nehmen vermag, selbst wenn er das Geschäft durch andere betreiben lässt (so auch BSG vom 15.12.1977, AZ: 11 RA 6/77, SozR 2200 § 1247 Nr. 19).

Ein aktives oder direktives auf Erwerb gerichtetes Handeln liegt nicht vor, wenn es sich um eine Tätigkeit aus therapeutischen Gründen handelt. Eine Tätigkeit aus therapeutischen Gründen im Sinne des § 44 Abs. 2 S. 2 Nr. 1 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 kann angenommen werden, wenn die Tätigkeit vom Versicherten trotz schwerwiegender Erkrankung in erster Linie aus psychologischen Gründen ausgeübt wird und sie dazu beiträgt, den gesundheitlichen Zustand zumindest zu erhalten beziehungsweise eine weitere Verschlechterung zu verhindern. Dies kann vielfach bereits durch Außenkontakte, die die jeweilige Tätigkeit mit sich bringt, erreicht werden. Mit der Tätigkeit wird insbesondere den bei zahlreichen Krankheiten verstärkt vorhandenen Rückzugstendenzen entgegen gewirkt, die wiederum eine weitere Verschlechterung der psycho-physischen Situation nach sich ziehen können. Die Tätigkeit aus therapeutischen Gründen zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass nur geringfügige Einkünfte erzielt werden, die ein Erwerbsstreben nicht erkennen lassen. Die Einkünfte ergeben sich aus den erzielten Gesamt-Einnahmen gemindert um die tatsächlichen Betriebsausgaben und die tatsächlichen Steuern. Rein steuerliche Abzüge sind nicht zu berücksichtigen. Es ist daher insoweit nicht auf den Gewinn aus § 15 SGB IV abzustellen.

Aufgabe der selbständigen Tätigkeit

Aus der Definition der selbständigen Tätigkeit ergibt sich, dass eine solche nur aufgegeben ist, wenn der Versicherte nach den tatsächlichen Verhältnissen nicht mehr aktiv oder direktiv tätig ist und auch keinen maßgeblichen Einfluss auf das Betriebsgeschehen mehr hat.

Dies ist der Fall,

  • wenn eine freiberufliche Tätigkeit beendet wird,
  • wenn der Gewerbebetrieb endgültig abgemeldet wird,
  • wenn der Gewerbebetrieb vermietet, verpachtet oder anderweitig auf eine andere Person übertragen wird und der Versicherte auf den Geschäftsablauf keinen Einfluss mehr hat,
  • wenn der Betrieb im Innen- oder Außenverhältnis eine gesellschaftliche Erscheinungsform hat und der Versicherte von jeder Verpflichtung zu aktivem oder direktivem Handeln frei ist und auch keinen maßgebenden Einfluss auf das Betriebsgeschehen hat.

Die Aufgabe der selbständigen Tätigkeit ist vom Versicherten nachzuweisen. Die Art der Beweismittel muss sich nach den jeweiligen Besonderheiten der aufgegebenen Erwerbstätigkeit richten. Allein die Erklärung des Versicherten reicht als Nachweis über die Aufgabe der Tätigkeit regelmäßig nicht aus. Kann der Versicherte die Aufgabe seiner Tätigkeit nicht beweisen oder lassen die vorgelegten Beweismittel Zweifel daran, dass die Tätigkeit tatsächlich beendet wurde, ist nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast davon auszugehen, dass der Versicherte auch weiterhin selbständig erwerbstätig ist (sinngemäße Anwendung des BSG vom 15.12.1977, AZ: 11 RA 30/77, SozR 2200 § 1248 Nr. 18).

Freiberufliche Tätigkeit

Zu den Selbständigen in den freien Berufen gehören insbesondere Lehrer, Musiker, bildende Künstler, Ärzte, Heilpraktiker, Hebammen, Schriftsteller, Journalisten, Bildberichterstatter, Architekten, Ingenieure, Rechts- und Patentanwälte, Notare, Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Rentenberater, Wirtschaftsprüfer, beratende Volks- und Betriebswirte, vereidigte Buchprüfer, Dolmetscher, Übersetzer und ähnlich Tätige.

Freiberufliche Tätigkeiten, die einer Genehmigung bedürfen, sind aufgegeben, wenn die Genehmigung zurückgegeben worden ist.

Wird die Genehmigung nicht zurückgegeben (aus Gründen berufsständiger Versorgung häufig bei Ärzten, Tierärzten, Rechtsanwälten und so weiter), ist die Tätigkeit aufgegeben, wenn die Gesamtumstände hierfür sprechen. Hierzu gehören insbesondere

  • Aufgabe (Vermietung, Verpachtung) der Geschäfts- beziehungsweise Praxisräume,
  • Entlassung evtl. Mitarbeiter,
  • Bestätigung evtl. Berufskammern (Ärzte-, Zahnärzte- oder Rechtsanwaltskammer) über die Beendigung der Tätigkeit.

Indiz für die Beendigung freiberuflicher Tätigkeit kann auch sein, wenn das Finanzamt auf Antrag des Versicherten die Einkommensteuervorauszahlungen auf den Wert 'Null' festgesetzt hat.

Gesellschaften

Zu den gesellschaftsrechtlichen Erscheinungsformen selbständiger Tätigkeit gehören insbesondere die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Offene Handelsgesellschaft (OHG), die Kommanditgesellschaft (KG) mit ihrer Sonderform der GmbH & Co. KG sowie die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) im Sinne der §§ 705 ff. BGB.

Ob ein Versicherter, der Gesellschafter einer solchen Gesellschaft ist, eine selbständige Tätigkeit ausübt, hängt von seiner Stellung in der Gesellschaft ab. Nach dem Normzweck des § 44 Abs. 2 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 kommt es darauf an, ob dem Versicherten in seiner Eigenschaft als Gesellschafter aktive oder direktive Aufgaben obliegen. Das ist der Fall, wenn der Versicherte

  • aufgrund gesetzlicher Vorschriften zur Vertretung der Gesellschaft berufen ist oder
  • kraft Auftrags auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages oder anderen Rechtsgrundlagen zur Mitarbeit in der Gesellschaft verpflichtet ist oder
  • kraft seiner Stellung in der Gesellschaft maßgebenden Einfluss auf deren Geschicke hat.
Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)

Die GmbH hat ihre Grundlage im GmbH-Gesetz. Im Außenverhältnis wird die Gesellschaft nach § 35 GmbHG durch den/die Geschäftsführer vertreten, die als solche auch im Handelsregister eingetragen sind.

Da dem als Geschäftsführer tätigen Gesellschafter einer GmbH - gegebenenfalls zusammen mit anderen Geschäftsführern - die Außenvertretung der Gesellschaft obliegt, die weder durch die Satzung noch durch die Gesellschafterbeschlüsse eingeschränkt werden kann, übt dieser stets eine selbständige Tätigkeit aus. In der Außenvertretung allein liegt ein aktives, zumindest aber direktives Handeln, das als selbständige Erwerbstätigkeit zu werten ist. Das gilt auch in Fällen, in denen der Versicherte aufgrund der der Geschäftsführertätigkeit innewohnenden Doppelfunktion (neben der Arbeitgeber- auch eine gewisse Arbeitnehmerstellung) der Sozialversicherungspflicht unterliegt.

Der nicht geschäftsführende Gesellschafter einer GmbH übt eine selbständige Tätigkeit nicht aus. Dies gilt selbst dann, wenn der Gesellschafter alleiniger Inhaber des Stammkapitals der Gesellschaft ist (BSG vom 02.12.1987, AZ: 1 RA 31/86, SozR 2200 § 1247 Nr. 52).

Das Fehlen der Geschäftsführerfunktion beweist der entsprechende Handelsregisterauszug. Bei der Bestimmung des Zeitpunktes der Aufgabe einer Geschäftsführertätigkeit ist das Datum der Löschung aus dem Handelsregister zugrunde zu legen, wenn nicht eine frühere Beendigung durch andere geeignete Unterlagen (Gesellschafterbeschluss) nachgewiesen wird.

Offene Handelsgesellschaft (OHG)

Die OHG hat ihre Grundlage im Handelsgesetzbuch (§§ 105 ff. HGB). Die Gesellschaft wird im Außenverhältnis durch sämtliche Gesellschafter vertreten (§ 114 Abs. 1 HGB), es sei denn, dass sie gemäß § 114 Abs. 2 HGB im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich von der Geschäftsführung ausgeschlossen sind.

Die Geschäftsführer einer OHG üben stets eine selbständige Tätigkeit aus, auch wenn sie im Innenverhältnis vollständig oder teilweise von der Arbeit freigestellt werden. Bereits die dem Geschäftsführer einer OHG aus § 114 Abs. 1 HGB obliegende Berechtigung und Verpflichtung zur Geschäftsführung ist, weil sie durch Gesellschafterbeschlüsse nicht eingeschränkt werden können, als selbständige Tätigkeit zu werten.

Ist der OHG-Gesellschafter nicht Geschäftsführer (§ 114 Abs. 2 HGB), so ist er dennoch selbständig erwerbstätig, wenn er maßgebenden Einfluss auf die Gesellschaft hat; dies ist der Fall, wenn der/die Geschäftsführer ohne die Zustimmung des nicht geschäftsführenden Gesellschafters kraft der im Gesellschaftsvertrag getroffenen Vereinbarungen nicht handeln kann/können.

Hieraus folgt, dass der OHG-Gesellschafter dann keine selbständige Tätigkeit - mehr - ausübt, wenn

  • er ausdrücklich von der Geschäftsführung der OHG ausgeschlossen ist und
  • er nach den im Gesellschaftsvertrag getroffenen Vereinbarungen keinen maßgebenden Einfluss auf die OHG hat.

Den Nachweis über das Fehlen der Geschäftsführereigenschaft führt der Handelsregisterauszug (§ 106 HGB).

Der Einfluss des Gesellschafters auf die OHG bestimmt sich nach dem Gesellschaftsvertrag.

Kommanditgesellschaft (KG)

Auch die Kommanditgesellschaft hat ihre Grundlage im Handelsgesetzbuch. Sie ist eine Sonderform der OHG, sodass entsprechend § 161 HGB auch für sie weitestgehend die Vorschriften der §§ 114 ff. HGB gelten.

Gesellschafter der KG sind die Komplementäre (Vollhafter) und die Kommanditisten (Teilhafter in Höhe ihrer Einlage). Die Außenvertretung der KG (Geschäftsführung) obliegt grundsätzlich den Komplementären (§§ 114, 161, 164, 170 HGB), es sei denn, sie sind im Gesellschaftsvertrag (Kommanditvertrag) ausdrücklich von der Geschäftsführung ausgeschlossen.

Der geschäftsführende Komplementär einer KG übt stets eine selbständige Tätigkeit aus; dies ergibt sich aus der Verpflichtung zur Außenvertretung der Gesellschaft (Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 24.05.1978, AZ: L 8 An 80/77).

Der nicht geschäftsführende Komplementär ist selbständig tätig, wenn er trotz des ausdrücklichen Ausschlusses von der Geschäftsführung - allein oder im Zusammenwirken mit anderen - die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörenden Handlungen vornimmt.

Der Kommanditist ist nicht als selbständig Erwerbstätiger zu beurteilen. Etwas anderes gilt ausnahmsweise, wenn ihm allein oder im Zusammenwirken mit anderen im Gesellschaftsvertrag die zum gewöhnlichen Geschäftsbetrieb gehörenden Handlungen übertragen sind (BSG vom 05.11.1980, AZ: 11 RA 80/79, SozR 5750 Art. 2 § 9a Nr. 11).

Beweismittel zur Geschäftsführung (Außenvertretung) in der KG ist der Auszug aus dem Handelsregister. Der Einfluss der einzelnen Gesellschafter - Komplementäre und Kommanditisten - bestimmt sich nach dem Gesellschaftsvertrag.

GmbH & Co. KG

Die GmbH & Co. KG ist eine besondere Erscheinungsform der KG, in der eine GmbH die Funktion des Vollhafters (Komplementär) einnimmt. Rechtlich bleiben GmbH und KG dabei selbständige Unternehmen. Häufig sind jedoch die Gesellschafter der GmbH auch gleichzeitig Kommanditisten der KG, sodass für die Anwendung des § 44 Abs. 2 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 jeweils die gesellschaftsrechtliche Stellung des Versicherten insgesamt gewertet werden muss.

Die Außenvertretung der GmbH & Co. KG obliegt entsprechend § 114 Abs. 1 HGB der GmbH; diese wird wiederum entsprechend § 35 GmbHG durch ihren Geschäftsführer vertreten. Damit hat der Geschäftsführer der GmbH die Außenvertretung der GmbH und im Ergebnis auch diejenige der KG.

Der Geschäftsführer der GmbH ist im Handelsregister eingetragen. Für die KG sind die GmbH als Geschäftsführerin und regelmäßig auch die Kommanditisten im Handelsregister eingetragen.

Der Geschäftsführer der GmbH und damit der KG ist stets selbständig tätig; dies ergibt sich allein aus der Verpflichtung zur Geschäftsführung (§ 114 Abs. 1 HGB, § 35 GmbHG).

Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR)

Die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts ist eine auf - schriftlichem oder mündlichem - Vertrag beruhende, nicht eingetragene Personenvereinigung ohne Rechtsfähigkeit zur Förderung eines von den Gesellschaftern gemeinsam verfolgten Zwecks. Die Grundlagen der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts bilden die §§ 705 ff. BGB; die dortigen gesetzlichen Regelungen gelten grundsätzlich nur insoweit, als keine vertraglichen Vereinbarungen getroffen sind.

In der Gesellschaft des bürgerlichen Rechts bilden die Gesellschafter im Allgemeinen ein gemeinsames, sämtlichen Gesellschaftern zur gesamten Hand gehörendes Vermögen. Bei der Verwaltung dieses Gesamthandvermögens tritt die Gesellschaft und mit ihr auch der einzelne Gesellschafter nach außen in Erscheinung.

Der Gesellschafter einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts hat seine selbständige Tätigkeit im Sinne von § 44 Abs. 2 SGB VI in der Fassung bis 31.12.2000 aufgegeben, wenn er aus der Gesellschaft vollständig ausgeschieden ist. Dies ist regelmäßig durch entsprechende Vereinbarungen oder Verträge nachzuweisen.

Darüber hinaus liegt eine Aufgabe der selbständigen Tätigkeit ebenfalls vor, wenn der Versicherte nur noch 'Stiller Gesellschafter' ist. Dies ist der Fall, wenn

  • der Versicherte im Außenverhältnis nicht mehr in Erscheinung tritt und
  • der Versicherte im Innenverhältnis von jedem aktiven oder direktiven Handeln frei wird und auch keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke des Betriebes hat.

Auch hierüber sind entsprechende Vereinbarungen beziehungsweise Verträge vorzulegen.

Eine Beendigung der selbständigen Tätigkeit ist zumindest im Innenverhältnis nicht gegeben, wenn bestimmte, auf die Person des Versicherten bezogene Genehmigungen (Konzessionen) bestehen bleiben, die für das Betreiben des betreffenden Geschäftsbetriebes notwendig sind (zum Beispiel Schankkonzessionen nach § 2 Gaststättengesetz).

Ehegattengesellschaft

Eine besondere Form der Gesellschaft bürgerlichen Rechts stellt die sogenannte Innengesellschaft dar. Häufigste Erscheinungsform der Innengesellschaft ist die Ehegattengesellschaft.

Von einer Innengesellschaft in Form einer Ehegattengesellschaft ist dann auszugehen, wenn die Eheleute sich aufgrund einer - auch stillschweigenden - Übereinkunft in den Dienst einer gemeinsamen, über die Verwirklichung der durch die Ehe gegebenen Lebensgemeinschaft hinausgehenden Aufgabe gestellt und eine Berufsgemeinschaft gebildet haben, vorausgesetzt, es handelt sich nicht nur um eine völlig untergeordnete Mitarbeit des Ehegatten (vergleiche hierzu auch Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, Schuldrecht, Besonderer Teil III, 4. Auflage 2004, Rand-Nr. 73 vor § 705 BGB; Palandt, 67. Auflage 2008 Rand-Nr. 39 zu § 705).

Das Entstehen einer solchen Ehegattengesellschaft hängt nicht vom Bewusstsein der Eheleute ab, dass ihre Beziehungen im Innenverhältnis rechtlich im Sinne der §§ 705 ff. BGB zu beurteilen sind.

Kennzeichnende Merkmale für das Vorliegen einer Ehegattengesellschaft sind danach

  • eine Beteiligung des Ehegatten am Gewinn und Verlust oder
  • eine dem Ehepartner etwa gleichgeordnete Stellung im Betrieb.

Von einer Ehegattengesellschaft ist beim Vorliegen der oben angeführten Merkmale auch dann auszugehen, wenn die gesellschaftsrechtlichen Verhältnisse durch arbeitsvertragliche Regelungen überlagert werden (so auch BSG vom 16.06.1982, AZ: 11 RA 42/81, SozR 2200 § 1266 Nr. 22).

Ob ein Versicherter eine seinem Ehegatten gleichgeordnete Stellung im Geschäft hat, ist anhand der vereinbarten Beschäftigungsmerkmale unter Einbeziehung der zu leistenden Arbeitszeit zu prüfen (eine gleichgeordnete Stellung wird zum Beispiel nicht vorliegen im Verhältnis eines Arztes, Rechtsanwalts, Notars und dergleichen zur Ehefrau als Sekretärin, Buchhalterin, Telefonistin und dergleichen).

Siehe Beispiele 7 und 8

Zusammenfassend festgestellt liegt eine Ehegattengesellschaft nicht vor

  • bei einer nur geringfügigen familienhaften Mitarbeit im Rahmen des § 1353 BGB und
  • bei einer nur untergeordneten Mitarbeit des Ehegatten.

Eine Beendigung der Erwerbstätigkeit des Versicherten ist zumindest im Innenverhältnis nicht gegeben, wenn bestimmte, auf die Person des Versicherten bezogene Genehmigungen (Konzessionen) bestehen bleiben, die für das Betreiben des betreffenden Geschäftsbetriebes notwendig sind (zum Beispiel Schankkonzessionen nach § 2 Gaststättengesetz).

Gewerbebetrieb

Gewerbetreibende wie zum Beispiel Handels-, Verkehrskaufleute, Makler oder Apotheker haben ihre selbständige Tätigkeit aufgegeben, wenn der Gewerbebetrieb endgültig abgemeldet ist. In diesen Fällen reicht als Nachweis über die Aufgabe der Erwerbstätigkeit die Bescheinigung über die Abmeldung nach der Gewerbeordnung aus.

Erfolgt dagegen die Abmeldung des Gewerbes nicht endgültig (Vermerk in der Abmeldung über einen Nachfolger), so muss die Abmeldung allein noch nicht die Aufgabe der selbständigen Tätigkeit beweisen. Bestehen noch Zweifel an der Aufgabe der selbständigen Tätigkeit, ist als zusätzlicher Nachweis in diesen Fällen von dem Nachfolger eine Bestätigung darüber zu verlangen, dass der Versicherte nicht mehr aktiv oder direktiv in dem Betrieb tätig ist und auch keinen maßgebenden Einfluss mehr auf das Betriebsgeschehen hat.

Selbständige Handwerker

Ein selbständiges Handwerk darf nur derjenige betreiben, der in die Handwerksrolle eingetragen ist (§ 1 HwO). Damit gilt bei Handwerkern stets die widerlegbare Vermutung einer selbständigen Tätigkeit, solange der selbständige Handwerker in der Handwerksrolle eingetragen ist. Hinsichtlich der Kriterien zur Bestimmung der Selbständigkeit eines Handwerkers vergleiche auch GRA zu § 7 SGB IV.

Regelmäßig gilt dies für denjenigen Handwerker, von dessen Eintragung in der Handwerksrolle die weitere Existenz eines Betriebes abhängig ist. So wird eine juristische Person und eine Personengesellschaft nur in die Handwerksrolle eingetragen, wenn der Betriebsleiter selbst die Voraussetzungen für die Eintragung in die Handwerksrolle erfüllt (§ 7 Abs. 1 S. 1 HwO). Dieser in der Handwerksrolle eingetragene Handwerker trägt die Verantwortung für alle handwerklichen Handlungen in dem Betrieb. Insoweit hat er den Betrieb im Außenverhältnis zu vertreten, was bereits daran deutlich wird, dass er aufgrund der Handwerkereigenschaft bestimmte Verpflichtungen gegenüber der Handwerkskammer hat (§ 17 HwO). Der Einfluss auf den Geschäftsbetrieb und die Vertretung im Außenverhältnis bestimmen das Vorliegen einer selbständigen Tätigkeit.

Landwirte

Für die Beurteilung der Frage, wann ein landwirtschaftliches Unternehmen aufgegeben wurde und damit keine selbständige Erwerbstätigkeit mehr ausgeübt wird, ist an die Regelungen des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte - ALG - vom 29.07.1994 (BGBl. I S. 1890) anzuknüpfen.

Nach dem ALG werden unter anderem Altersrenten und die Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nur gewährt, wenn das Unternehmen der Landwirtschaft abgegeben ist, wobei ein Selbstbehalt in beschränktem Umfang - § 21 Abs. 7 ALG - unschädlich ist.

Gibt der Versicherte in seinem Antrag an, dass er sein landwirtschaftliches Unternehmen auch weiterhin betreibt, ist die zuständige landwirtschaftliche Alterskasse zu befragen, ob sich die bewirtschaftete Fläche in den Grenzen des § 21 Abs. 7 ALG hält. Ist dies der Fall, steht die weitere Ausübung der landwirtschaftlichen Tätigkeit der Erwerbsunfähigkeit nicht entgegen.

Beispiel 1: Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes

(Beispiel zu Abschnitt 3.1.2)

Erlernter und bisher ausgeübter Beruf: Krankenschwester

Leistungsvermögen in der letzten beruflichen Tätigkeit: unter 3 Stunden

Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt: mindestens 6 Stunden

Positives und negatives Leistungsbild: einsatzfähig in Berufen für sehbehinderte Menschen

Lösung:

Grundsätzlich würde sich aus der festgestellten zeitlichen Leistungsfähigkeit für mindestens 6 Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt kein Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung ergeben.

Der Beruf der Krankenschwester gehört nicht zu den für sehbehinderte Menschen geeigneten Berufen.

Da eine Ausbildung in einem Beruf für sehbehinderte Menschen nicht vorliegt, kann die Versicherte die abstrakt angenommene mindestens 6-stündige Leistungsfähigkeit nicht in Erwerb umsetzen. Aufgrund der
schweren spezifischen Leistungsbehinderung ist es ihr bis auf Weiteres unmöglich, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes tätig zu sein.

Aus der Unfähigkeit zur Ausübung einer Tätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes resultiert ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung. Der Anspruch ist zu befristen,
wenn die Durchführung einer beruflichen Rehabilitationsmaßnahme zur Ausbildung in einem für sehbehinderte Menschen geeigneten Beruf vorgesehen ist, oder wenn medizinische Maßnahmen beabsichtigt sind, die zu einer Wiederherstellung (Besserung)
der Sehfähigkeit führen.

Beispiel 2: Berechnung des Fünfjahreszeitraumes

(Beispiel zu Abschnitt 6.1.1)

Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung am 19.07.2015  

Zeitraum von fünf Jahren: 19.07.2010 bis 18.07.2015

Lösung:

Der Fünfjahreszeitraum erfasst die Kalendermonate

Juli 2010 bis Juli 2015 -61 Kalendermonate  

Beispiel 3: Berechnung des Fünfjahreszeitraumes

(Beispiel zu Abschnitt 6.1.1)

Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung am 01.07.2015  

Zeitraum von fünf Jahren: 01.07.2010 bis 30.06.2015

Lösung:

Der Fünfjahreszeitraum erfasst die Kalendermonate

Juli 2010 bis Juni 2015:  60 Kalendermonate  

Beispiel 4: Verlängerung des Fünfjahreszeitraumes
Tatbestände für Anrechnungszeiten bei fehlender Unterbrechung

(Beispiel zu Abschnitt 6.1.2)

Pflichtbeitrag bis 24.07.2014

Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug: 08.09.2014 bis 19.02.2015

Arbeitslosigkeit ohne Leistungsbezug:19.03.2015 bis 12.05.2015

Lösung:

Die Monate September 2014 bis Mai 2015 sind bei Ermittlung des Fünfjahreszeitraums nicht mitzuzählen
(die 1. Arbeitslosigkeit folgt innerhalb von 6 Kalendermonaten dem letzten Pflichtbeitrag; die 2. Arbeitslosigkeit folgt innerhalb eines Kalendermonats der 1. Arbeitslosigkeit).

Beispiel 5: Verlängerung des Fünfjahreszeitraumes - Zeiten einer schulischen Ausbildung

(Beispiel zu Abschnitt 6.1.2)

Eintritt der Erwerbsminderung am 22.05.2015

Anrechnungszeiten wegen Schul- und Fachschulausbildung: 01.07.2001 bis 30.06.2009

Hochschulausbildung: 01.10.2009 bis 31.05.2014

Lösung:

Die Zeit der Hochschulausbildung vom 01.10.2009 bis 31.05.2014 ist bei Ermittlung des Fünfjahreszeitraums nicht mitzuzählen.

Beispiel 6: Erfüllung der allgemeinen Wartezeit und Tatbestand zur vorzeitigen Wartezeiterfüllung

(Beispiel zu Abschnitt 6.2)

Schule: 19.12.1990 bis 30.06.1992  

Ausbildung und Beschäftigung: 01.09.1992 bis 30.07.2000

Studium (ohne Abschluss): 01.10.2000 bis 31.03.2003

Lücke (keine rentenrechtlich relevanten Zeiten): 01.04.2003 bis 30.09.2014

Studium ab 01.10.2014

privater Unfall mit Eintritt teilweiser Erwerbsminderung am 14.01.2015

Lösung:

Im vorliegenden Fall ist ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung gegeben.

Die allgemeine Wartezeit ist erfüllt (Pflichtbeitragszeiten vom 01.09.1992 bis 30.07.2000).

Es liegt ein Tatbestand zur vorzeitigen Wartezeiterfüllung gemäß § 53 Abs. 2 SGB VI vor, da die Erwerbsminderung während einer Ausbildung eingetreten ist und in Fällen der vorliegenden Art der Tatbestand des § 53 Abs. 2 SGB VI im Rahmen des § 43 Abs. 5 SGB VI auch bei teilweiser Erwerbsminderung als erfüllt gilt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 S. 1 letzter Halbs. SGB VI (12 Monate Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit in den letzten 2 Jahren) müssen im Rahmen des § 43 Abs. 5 SGB VI nicht vorhanden sein.

Beispiel 7: Ehegattengesellschaft

(Beispiel zu Abschnitt 14.5.4.6)

Eine Versicherte ist in der Zahnarztpraxis ihres Ehegatten 10 Stunden wöchentlich als Zahnarzthelferin mit einem monatlichen Gehalt von 300,00 EUR beschäftigt.

Lösung:

Die Versicherte kann nach der Art ihrer Tätigkeit keinen gravierenden Einfluss auf das Betriebsgeschehen nehmen. Eine für das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit schädliche Ehegatteninnengesellschaft liegt damit nicht vor.

Beispiel 8: Ehegattengesellschaft

(Beispiel zu Abschnitt 14.5.4.6)

Der Versicherte ist Besitzer eines Spielwarengeschäftes. Seine Ehefrau ist Hausfrau. Ab 01.01.2015 wird die Ehefrau als Verkäuferin beschäftigt. Zum 31.12.2015 übereignet der Versicherte das Spielwarengeschäft seiner Ehefrau. Er schließt mit seiner Ehefrau einen Arbeitsvertrag. Danach obliegen ihm der Einkauf und die Buchführung. Er soll eine monatliche Vergütung von 400,00 EUR erhalten. Das voraussichtliche Arbeitseinkommen beider Ehegatten wird auf 25.000,00 EUR jährlich geschätzt.

Lösung:

Nach den Gesamtumständen (Übereignung des Geschäftes, berufliche Erfahrung der Ehefrau, Tätigkeitsmerkmale des Versicherten) ist davon auszugehen, dass eine Innengesellschaft im Sinne des § 705 BGB vorliegt, die lediglich von einem Beschäftigungsverhältnis überlagert wird.

SGB XII- und SGB XIV-Anpassungsgesetz vom 28.12.2023 (BGBl. 2023 I Nr. 408)

Inkrafttreten: 01.01.2024

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 20/8344

Durch Artikel 6 des Gesetzes zur Anpassung des Zwölften und des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Gesetze vom 28.12.2023 wurde § 43 SGB VI um einen Absatz 7 ergänzt. Ziel des neuen Absatzes ist es, Rentenbeziehende über die Möglichkeit einer rentenunschädlichen Erprobung einer Erwerbstätigkeit oberhalb des bisher festgestellten Leistungsvermögens weitgehender als bisher bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen.

RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I S. 554)

Inkrafttreten: 01.01.2008

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 16/3794

Durch Artikel 1 des Gesetzes zur Anpassung der Regelaltersgrenze an die demografische Entwicklung und zur Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 20.04.2007 wurden in Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 jeweils die Wörter 'zur Vollendung des 65. Lebensjahres' durch die Wörter 'zum Erreichen der Regelaltersgrenze' ersetzt. Es handelte sich um eine Folgeänderung zur Anhebung der Regelaltersgrenze vom 65. auf das 67. Lebensjahr, die ab dem ab dem 01.01.2012 beginnt. Die Regelaltersgrenze selbst ist in den §§ 35, 235 SGB VI definiert. Wegen näherer Einzelheiten vergleiche GRA zu § 35 SGB VI und GRA zu § 235 SGB VI.

AVmEG vom 21.03.2001 (BGBl. I S. 403)

Inkrafttreten: 01.01.2002

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 14/4595 und 14/5146

Mit dem AVmEG wurde § 43 Abs. 4 S. 2 SGB VI gestrichen. Dieser legte fest, dass Berücksichtigungszeiten im Rahmen der 3/5-Belegung nur zu einer Verlängerung des Fünfjahreszeitraumes führen, wenn während dieser Zeiten eine selbständige Tätigkeit nicht ausgeübt worden ist, die mehr als geringfügig war. Hintergrund für die Streichung war die Neuregelung der Berücksichtigungszeiten in § 57 SGB VI zum 01.01.2002.

EM-ReformG vom 20.12.2000 (BGBl. I S. 1827)

Inkrafttreten: 01.01.2001

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/4230

Die Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit (Rente wegen Berufs-/Erwerbsunfähigkeit) wurden ersetzt durch die Rente wegen Erwerbsminderung (teilweise/volle Erwerbsminderung). Im Gegensatz zu dem bis 31.12.2000 geltenden Recht wird die zeitliche (quantitative) Leistungsfähigkeit seit 01.01.2001 in Stundenstufungen angegeben. Bei einem mindestens 3- bis unter 6-stündigen Leistungsvermögen verbleibt es bei der konkreten Betrachtungsweise. Bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes entsteht damit ein Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung.

Für Versicherte, die vor dem 02.01.1961 geboren sind, wurde eine modifizierte Rente wegen Berufsunfähigkeit beibehalten (§ 240 SGB VI).

Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse
vom 24.03.1999 (BGBl. I S. 388)

Inkrafttreten: 01.04.1999

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 14/280 und 14/441

Durch Artikel 4 des Gesetzes zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.03.1999 wurden in Absatz 3 Nummer 2 nach dem Wort 'geringfügig' die Worte 'oder nur unter Berücksichtigung des Gesamteinkommens geringfügig' gestrichen.

Korrekturgesetz vom 19.12.1998 (BGBl. I S. 3843)

Inkrafttreten: 01.01.2000

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 14/45

Die Neuregelung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit wurde durch Artikel 1 § 1 des Gesetzes zu Korrekturen in der Sozialversicherung und zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte (Korrekturgesetz) vom 19.12.1998 (BGBl. I S. 3843) auf den 01.01.2001 hinausgeschoben. Sie wäre allerdings nur zu diesem Zeitpunkt in Kraft getreten, wenn bis zu diesem Zeitpunkt durch Gesetz nicht - wie mit dem EM-ReformG geschehen - etwas anderes geregelt worden wäre.

RRG 1999 vom 16.12.1997 (BGBl. I S. 2998)

Inkrafttreten: 01.07.1998/01.01.1999/01.01.2000

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 13/8011

Durch Artikel 1 des RRG 1999 vom 16.12.1997 wurde Absatz 3 Nummer 4 angefügt.

Durch Artikel 1 des RRG 1999 vom 16.12.1997 sollte auch eine völlige Neuregelung der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit erfolgen. § 43 SGB VI in der Fassung des RRG 1999 sollte regeln, unter welchen Voraussetzungen Renten wegen teilweiser und voller Erwerbsminderung zu leisten sind; § 44 SGB VI (Rente wegen Erwerbsunfähigkeit) sollte gestrichen werden. Bei Renten, bei denen der Anspruch bereits vor dem Inkrafttreten der Neuregelung bestand, sollte es bei der bis dahin geltenden Rechtslage verbleiben (§ 302a Abs. 1 SGB VI in der Fassung des RRG 1999). Weiterhin sollte die Feststellung der verminderten Erwerbsfähigkeit unabhängig von der Arbeitsmarktlage erfolgen (Abschaffung der sogenannten konkreten Betrachtungsweise). Auch war eine Übergangsregelung für ältere Versicherte nicht vorgesehen. Die Neuregelung sollte zum 01.01.2000 in Kraft treten.

2. SGB VI-ÄndG vom 02.05.1996 (BGBl. I S. 659)

Inkrafttreten: 08.05.1996

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 13/3697

Durch Artikel 1 des 2. SGB VI-ÄndG vom 02.05.1996 wurde Absatz 2 Satz 4 angefügt.

SGB VI-ÄndG vom 15.12.1995 (BGBl. I S. 1824)

Inkrafttreten: 01.01.1996

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 13/2590

Durch Artikel 1 des SGB VI-ÄndG vom 15.12.1995 wurde in Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 neu gefasst und Satz 2 angefügt, die Absätze 3 und 4 wurden neu gefasst und Absatz 5 angefügt.

RRG 1992 vom 18.12.1989 (BGBl. I S. 2261)

Inkrafttreten: 01.01.1992

Quellen zum Entwurf: BT-Drucksache 11/4124, 11/4452

Für die Renten wegen Berufs- beziehungsweise Erwerbsunfähigkeit wurden zum 01.01.1992 in die §§ 43, 44 SGB VI im Wesentlichen die Regelungen aus dem früheren Recht (§§ 23, 24 AVG) übernommen. In seiner Stellungnahme zum Entwurf des RRG 1992 (BT-Drucksache 11/4452, S. 9) hatte der Deutsche Bundesrat bereits ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er den Bereich der Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit dringend für reformbedürftig hält. Die Bundesregierung wurde daher vom Bundesrat gebeten, nach Abschluss des Gesetzgebungsverfahrens zum RRG 1992 eine Änderung des Rechts der Erwerbsminderungsrenten vorzubereiten, die zu einer sachgerechten und sozial ausgewogenen Risikoabgrenzung zwischen Renten- und Arbeitslosenversicherung führt und gleichzeitig verhindert, dass die im RRG 1992 vorgesehene Heraufsetzung der Altersgrenzen durch ein Ausweichen in die Erwerbsminderungsrente unterlaufen wird.

Anlage 1Liste der Tarifverträge

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 43 SGB VI