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§ 65a SGB I: Aufwendungsersatz

Änderungsdienst
veröffentlicht am

25.05.2020

Änderung

Dokumentdaten
Stand12.05.2020
Erstellungsgrundlage in der Fassung des SGB X vom 18.08.1980 in Kraft getreten am 01.01.1981
Rechtsgrundlage

§ 65a SGB I

Version002.00

Inhalt der Regelung

Absatz 1 ermächtigt die Rentenversicherungsträger, die dem Antragsteller oder Leistungsberechtigten bei der Erfüllung seiner Mitwirkungspflichten im Sinne von §§ 61 oder 62 SGB I entstandenen notwendigen Aufwendungen (Auslagen und Verdienstausfall) auf Antrag zu ersetzen.

Nach Absatz 2 können Aufwendungen nach Maßgabe des Absatzes 1 auch ersetzt werden in Fällen, in denen der Antragsteller oder Leistungsempfänger unaufgefordert beim Leistungsträger erschienen ist oder er sich unaufgefordert ärztlich oder psychologisch hat untersuchen lassen, wenn dies der zuständige Leistungsträger nachträglich als notwendig anerkennt.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 65a SGB I bildet die Rechtsgrundlage für die Erstattung allein von Aufwendungen, die bei Wahrnehmung von Obliegenheiten nach § 61 oder § 62 SGB I entstehen.

Die Erstattung von Reisekosten, welche im Zusammenhang mit der Ausführung einer von einem Rentenversicherungsträger gewährten Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben entstehen, richtet sich nach § 73 SGB IX.

Kosten, die anlässlich einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben für eine Haushalts- oder Betriebshilfe beziehungsweise Kinderbetreuung anfallen, sind nach Maßgabe des § 74 SGB IX zu ersetzen.

Besondere Kostentragungspflichten für die Bereitstellung von Kommunikationshilfen für Menschen mit Hör- und Sprachbehinderungen treffen den Leistungsträger bei der Ausführung von Sozialleistungen nach § 17 Abs. 2 SGB I in Verbindung mit § 19 Abs. 1 SGB X (siehe GRA zu § 19 SGB X, Abschnitt 3).

Die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen im Verwaltungsverfahren richtet sich nach § 21 Abs. 3 S. 4 SGB X.

Allgemeines

Die Erfüllung der Mitwirkungspflichten entsprechend der §§ 61 und 62 SGB I, die im Zusammenhang mit einer beantragten oder bezogenen Sozialleistung stehen, liegen in erster Linie im Interesse des Antragstellers und Leistungsberechtigten. Hierbei anfallende übliche Aufwendungen wie Portokosten, Schreibpapier, Telefongebühren und so weiter hat der Antragsteller und Leistungsberechtigte daher grundsätzlich selbst zu tragen.

Es besteht kein Rechtsanspruch auf den Aufwendungsersatz, sondern nur ein Anspruch auf eine pflichtgemäße Ermessensentscheidung. Anhaltspunkte für die Ausübung des Ermessens (§ 39 SGB I) können aus der Begründung des Antragstellers oder Leistungsberechtigten für den Aufwendungsersatz entnommen werden, zum Beispiel wirtschaftlich unzumutbare Belastung.

Höhere als die üblichen Aufwendungen können dem Antragsteller beziehungsweise Leistungsberechtigten dadurch entstehen, dass er gemäß § 61 SGB I zur mündlichen Erörterung oder gemäß § 62 SGB I zur Untersuchung gebeten wird. Für diese Fälle sieht daher § 65a SGB I im Rahmen des Ermessens des Leistungsträgers einen Ersatz der Aufwendungen vor.

Bei Mitwirkungshandlungen nach §§ 60, 63 und 64 SGB I ist § 65a SGB I generell nicht anzuwenden. Die Erstattung von Reisekosten (zum Beispiel Fahr- und Transportkosten) und anderen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Teilnahme eines Berechtigten an einer Heilbehandlung (§ 63 SGB I) oder an Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 64 SGB I) richtet sich nach den Regelungen in § 28 SGB VI in Verbindung mit § 64 Abs. 1 Nr. 2 bis 6 und Abs. 2 SGB IX und §§ 73, 74 SGB IX.

Verlangen des Leistungsträgers

Voraussetzung für den Aufwendungsersatz ist, dass der zuständige Leistungsträger die Mitwirkung entsprechend den §§ 61 oder 62 SGB I verlangt hat und der Antragsteller oder Leistungsberechtigte diesem Verlangen nachgekommen ist.

Verlangen bedeutet eine schriftliche, mündliche oder fernmündliche Aufforderung des Leistungsträgers, ohne dass diese notwendigerweise mit einem ausdrücklichen Hinweis auf §§ 61, 62 SGB I verbunden sein muss.

Mitwirkung des Antragstellers oder Leistungsempfängers

Der Antragsteller/Leistungsempfänger muss dem Verlangen des zuständigen Leistungsträgers tatsächlich nachgekommen sein (§ 65a Abs. 1 S. 1 SGB I).

Eine der Aufforderung des Leistungsträgers oberflächlich folgende, dabei aber mangelhafte Mitwirkung reicht nicht aus, um einen Anspruch auf Aufwendungsersatz zu begründen. Dem Verlangen des Leistungsträgers nach persönlichem Erscheinen gemäß § 61 SGB I wird daher nicht bereits dadurch entsprochen, dass der Mitwirkungspflichtige zum anberaumten Termin erscheint, sondern erst dadurch, dass dieser die Bereitschaft zur Erörterung der anstehenden Fragen mitbringt. Der Anordnung, sich einer Untersuchung nach § 62 SGB I zu unterziehen, kommt nur nach, wer die Durchführung derselben an sich duldet und erforderlichenfalls auch aktiv an ihr mitwirkt, wenn die Eigenart der jeweiligen diagnostischen Maßnahme dieses gebietet.

Siehe Beispiele 1 und 2

Erforderlich ist auch, dass der Antragsteller oder Leistungsberechtigte seinen durch das Verlangen des Leistungsträgers konkretisierten Obliegenheiten nach §§ 61, 62 SGB I persönlich nachkommt. Dem Antragsteller oder Leistungsempfänger ist es nicht gestattet, sich durch einen Bevollmächtigten oder Beistand vertreten zu lassen. Er kann zwar gemäß § 13 Abs. 4 SGB X zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen, darf sich jedoch nicht durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. In Ausnahmefällen kommt eine analoge Anwendung von § 65a SGB I in Betracht, wenn ein Bevollmächtigter oder Beistand erscheint. Ein Aufwendungsersatz erfolgt nur auf Antrag des Berechtigten beziehungsweise in Vertretungsfällen auf Antrag des Bevollmächtigten oder Beistandes.

Aufwendungsersatz bei einem Verlangen des Leistungsträgers nach § 61 SGB I

Für die Fälle der Mitwirkung nach § 61 SGB I (Persönliches Erscheinen) beschränkt § 65a Abs. 1 S. 2 SGB I den Ersatz der Aufwendungen auf Härtefälle. Eine Härte dürfte im Allgemeinen dann anzunehmen sein, wenn es dem Antragsteller oder Leistungsberechtigten wegen der Höhe seiner Belastung nicht zugemutet werden kann, die Kosten selbst zu tragen oder wenn die Höhe der erforderlichen Mittel auch für den objektiven Betrachter vernünftiger Anlass wäre, vom persönlichen Erscheinen abzusehen und damit die Versagung oder Entziehung von Sozialleistungen nach § 66 SGB I zu riskieren. Die Höhe der Kosten und ein etwaiger Verdienstausfall sind ins Verhältnis zu setzen zu seinen regelmäßigen Einkünften. Für das Vorliegen einer finanziellen Härte ist der Antragsteller darlegungs- und beweispflichtig.

Außer den finanziellen Gesichtspunkten muss auch in Betracht gezogen werden, ob die Mitwirkungshandlung überwiegend im Interesse des Leistungsträgers oder des Leistungsberechtigten liegt. Eine die Erstattungspflicht des Leistungsträgers begründende atypische Sachlage kann etwa darin liegen, dass der Leistungsträger das persönliche Erscheinen des Antragstellers oder Leistungsbeziehers verlangt, um einen von der Verwaltung zu verantwortenden Fehler zu beheben. Umgekehrt dürfte ein Aufwendungsersatz in aller Regel nicht in Frage kommen, wenn das persönliche Erscheinen durch die bis dahin unzureichende Mitwirkung des Antragstellers beziehungsweise Leistungsempfängers notwendig geworden ist.

Im Gegensatz zu den Fällen nach § 62 SGB I (vergleiche Abschnitt 6) wird in den Fällen der Mitwirkung nach § 61 SGB I die Erstattung der Aufwendungen die Ausnahme sein. Ist in Ausnahmefällen ein Ersatz der Aufwendungen zu leisten, sind hinsichtlich des Umfangs und der Höhe der zu erstattenden Aufwendungen die Ausführungen im Abschnitt 7 zu beachten.

Aufwendungsersatz bei einem Verlangen des Leistungsträgers nach § 62 SGB I

Der Aufwendungsersatz „kann“ geleistet werden. Ob die Aufwendungen zu ersetzen sind, hängt stets von den Umständen des Einzelfalls ab. Im Regelfall ist das Ermessen des Leistungsträgers dahingehend auszuüben, dass er in den Fällen der Mitwirkung nach § 62 SGB I (Untersuchungen) die Aufwendungen ersetzt.

Umfang der Erstattung

Der Umfang der Erstattung setzt sich zusammen aus dem Ersatz

  • der notwendigen Auslagen des Antragstellers oder Leistungsberechtigten und
  • seines Verdienstausfalls,

beides in einem „angemessenen“ Umfang.

Als notwendige Auslagen kommen solche Aufwendungen des Antragstellers oder Leistungsberechtigten in Betracht, die erforderlich waren und auch tatsächlich angefallen sind, um dem Verlangen des Leistungsträgers nachzukommen. Notwendige Auslagen und der Verdienstausfall werden nur in angemessenem Umfang erstattet. In der Regel kann davon ausgegangen werden, dass die notwendigen Auslagen auch angemessen waren.

Diese können in der Regel sein:

  • Fahrkosten (siehe hierzu Abschnitt 7.1),
  • Verpflegungs- und Übernachtungskosten (siehe hierzu Abschnitt 7.2),
  • Verdienstausfall (siehe hierzu Abschnitt 7.3) und/oder
  • Aufwendungen für Begleitpersonen (siehe hierzu Abschnitt 7.4),
  • Haushaltshilfe (siehe hierzu Abschnitt 7.5).

Soweit es sich um entstandene Kosten für Fahrten, Verpflegung, Übernachtung sowie ausgefallenen Verdienst im Zusammenhang mit der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben handelt, erfolgt die Übernahme der Kosten vom Rentenversicherungsträger auf der Grundlage der Gemeinsamen Grundsätze der Rentenversicherungsträger zur Erbringung von Reisekosten im Zusammenhang mit Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben und sonstigen Leistungen (Reisekostengrundsätze) als Reisekosten (nähere Einzelheiten siehe GRA zu § 73 SGB IX).

Aufwendungsersatz ist der Natur der Sache nach nachträglich zu leisten. In Ausnahmefällen kann auf Antrag ein Vorschuss geleistet werden, wenn der Mitwirkungspflichtige nicht in der Lage ist, die Kosten aus eigenen Mitteln zu verauslagen.

Die Entscheidung über den Antrag auf Aufwendungsersatz ist ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X.

Da es sich bei der Gewährung von Leistungen nach § 65a SGB I um eine im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltung liegende Entscheidung handelt, ist gerichtlich nachprüfbar, ob das Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt wurde.

Fahrkosten

Bei den Fahrkosten kann es sich um entstandene Auslagen des Antragstellers oder Leistungsberechtigten aufgrund

  • der Benutzung von öffentlichen (Nah-)Verkehrsmitteln,
  • von Fahrten mit der Bahn,
  • der Benutzung eines eigenen Kraftfahrzeuges des Antragstellers oder Leistungsberechtigten oder
  • der Benutzung eines Krankenwagentransportes, Mietwagens oder Taxis, deren Inanspruchnahme wegen Art oder Schwere der Behinderung notwendig ist,

handeln.

Verpflegungs- und Übernachtungskosten

Verpflegungs- und Übernachtungskosten fallen in der Regel nur bei Untersuchungen nach § 62 SGB I an. Übernachtungskosten können anfallen, wenn die betreffende Maßnahme zur Sachaufklärung mehr als den Zeitraum eines Tages in Anspruch nimmt, beziehungsweise wenn An- und Rückreise vom Aufenthaltsort zum Zielort nicht an einem Tag abgewickelt werden können. Die erforderlichen Verpflegungs- und Übernachtungskosten sind dem Berechtigten zu erstatten. Soweit dem Mitwirkungspflichtigen unentgeltlich Sachleistungen wie Verpflegung und Unterkunft zur Verfügung gestellt werden, kommt entsprechender Auslagenersatz nicht in Frage.

Verdienstausfall

Verdienstausfall ist eine Vermögenseinbuße infolge verhinderter Erwerbstätigkeit. Dabei kann es sich bei Beschäftigten (Arbeitnehmern) um entgangenes Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 SGB IV oder bei Selbständigen um entgangenes Arbeitseinkommen im Sinne des § 15 SGB IV handeln. Einem Verdienstausfall gleichzusetzen sind Einbußen von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II (ALG II).

Bei der Erstattung von Verdienstausfall ist nicht zu unterscheiden, ob es sich um einen Verdienstausfall nach § 65a SGB I, § 73 SGB IX oder § 74 SGB IX handelt.

Verdienstausfall kann beispielsweise für die Begleitperson bei der Anreise und/oder Abreise, anlässlich von Untersuchungen im Rentenverfahren oder anlässlich von Vorladungen des Rentenversicherungsträgers entstehen.

Anspruchsberechtigt ist der Versicherte (Leistungsberechtigte). Die Auszahlung des Verdienstausfalls kann mit Zustimmung des Versicherten auch direkt an eine Begleitperson erfolgen. Hiervon ausgenommen sind die Begleitpersonen, die ALG II beziehen. In diesen Fällen erfolgt die Erstattung an den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Um die Vereinheitlichung der Regelungen zur Erstattung von Verdienstausfall zu gewährleisten, haben die Rentenversicherungsträger Grundsätze zur Regelung des Verdienstausfalls beschlossen. Diese Grundsätze gelten seit dem 01. April 2013 und sind in den Abschnitten 7.3.1 bis 7.3.6 beschrieben (AGDR 4/2012, TOP 3).

Was ist der Charakter des Verdienstausfalls?

Bei der Verdienstausfallentschädigung handelt es sich nicht um sozialversicherungsrechtlich relevantes Arbeitsentgelt im Sinne von § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV. Die Entschädigung des Verdienstausfalls stellt weder eine Vergütung für eine Arbeitsleistung dar, noch steht sie im Zusammenhang mit einer erbrachten Arbeitsleistung. Der Charakter der Leistung wird gerade durch die Nichterbringung einer Arbeitsleistung und dem damit einhergehenden Verlust des Anspruchs auf Vergütung bestimmt (vergleiche Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs am 30. März 2011, TOP 2).

Erstattung des Verdienstausfalls von abhängig Beschäftigten, verbeamteten Personen und DO-Angestellten

Ein Verdienstausfall ist nur unter der Voraussetzung auszugleichen, dass der Antragsteller beziehungsweise der Leistungsberechtigte durch die Zeitversäumnis auch tatsächlich Arbeitsverdienst eingebüßt hat. Eine Entschädigung für reinen Zeitverlust ist durch § 65a SGB I nicht vorgesehen.

Erstattungsfähig ist ausschließlich das Nettoarbeitsentgelt beziehungsweise die Nettobezüge (zuzüglich nachgewiesener anteiliger Sonderzahlungen), begrenzt auf die jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze (BBG).

Siehe Beispiel 3

Des Weiteren können die nachgewiesenen Beiträge zur freiwilligen Sozialversicherung sowie Mehraufwendungen für die private Kranken- und Pflegeversicherung erstattet werden. Eine Erstattung dieser Aufwendungen dürfte jedoch regelmäßig bei stunden- oder tageweisem Zeitversäumnis nicht relevant sein (zum Beispiel anlässlich einer Untersuchung bei einem Gutachter), sondern erst in Betracht kommen, wenn mindestens ein Kalendermonat betroffen ist.

Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung und/oder Beiträge zur berufsständischen Zusatzversorgung (zum Beispiel VBL) können nicht erstattet werden.

Die Erstattung des Verdienstausfalls ist gegenüber dem Versicherten beziehungsweise mit Zustimmung des Versicherten direkt an die Begleitperson vorzunehmen; eine Erstattung an den Arbeitgeber erfolgt nicht.

Erstattung des Verdienstausfalls von selbständig Tätigen

Ein Selbständiger kann nicht schon allein deswegen Ersatz für entgangene Einkünfte verlangen, weil er bedingt durch seine Mitwirkung Zeit verloren hat, in der er sonst regelmäßig gearbeitet hätte. Durch das Zeitversäumnis muss tatsächlich ein Verdienstausfall eingetreten sein, dessen Höhe im Einzelfall nachzuweisen ist (BSG vom 17.01.1967, AZ: 10 RV 930/64, BSGE 26, 60).

Bei Selbständigen, die keine Mitarbeiter beschäftigen, kann ein Verdienstausfall grundsätzlich unterstellt werden. Erstattungsfähig sind 80 % des entgangenen Gewinns (nach Abzug der Steuern), begrenzt auf die jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze (BBG). Bei Geltendmachung eines Bruttoeinkommensverlustes entsprechen 80 % des genannten Verlusts dem entgangenen Nettoeinkommen (analog § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX).

Der entgangene Gewinn ist unter Nutzung der allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften (§ 15 Abs. 1 SGB IV) nachzuweisen. Als Nachweise dienen beispielsweise

  • der letzte Einkommensteuerbescheid,
  • die Gewinn-Verlust-Rechnung oder
  • der vom Steuerberater bescheinigte entgangene Gewinn.

Sofern ein Steuerberater nicht vorhanden ist kann auch die Betriebswirtschaftliche Aufstellung (BWA) des Selbständigen als Vergleichsgrundlage genutzt werden.

Die Erstattung des Verdienstausfalls ist gegenüber dem Versicherten beziehungsweise der Begleitperson vorzunehmen.

Eine Erstattung von Verdienstausfall für Berufsbetreuer erfolgt nicht, sofern dies durch die pauschalierte Vergütung nach dem Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) abgegolten wird (siehe hierzu auch Abschnitt 7.4.2).

Stellt ein Selbständiger für die Dauer seiner Abwesenheit eine bezahlte Vertretungskraft ein, kann angemessener Auslagenersatz geltend gemacht werden, wenn die Vertreterbestellung notwendig gewesen ist, um nachweislich Verdienstausfall zu vermeiden. Die Bestellung einer Vertretung kann nur dann als notwendig angesehen werden, wenn der Mitwirkungspflichtige alle zumutbaren Vorkehrungen getroffen hat, um eine Vertreterbestellung entbehrlich zu machen und seine darauf gerichteten Bemühungen erfolglos geblieben sind. Hierzu gehört insbesondere auf Terminüberschneidungen hinzuweisen und zu versuchen, die miteinander kollidierenden Termine neu zu organisieren (Beschluss des OLG Frankfurt vom 24.11.1999, AZ: 25 U 87/98 zu § 11 ZSEG).

Erstattung des Verdienstausfalls von Beziehern von Arbeitslosengeld

Bei Beziehern von Arbeitslosengeld wird nach Ablauf der in der Erreichbarkeits-Anordnung (EAO) genannten Fristen (§ 3 EAO, grundsätzlich drei Wochen im Kalenderjahr) das Arbeitslosengeld als Verdienstausfall sowie die nachgewiesenen Beiträge zur freiwilligen Sozialversicherung und die nachgewiesenen Mehraufwendungen für die private Kranken- und Pflegeversicherung erstattet. Die EAO ist eine vom Verwaltungsrat der Bundesagentur für Arbeit erlassene Anordnung, in der die Anspruchsvoraussetzung für das Arbeitslosengeld konkretisiert werden soll, wonach der Leistungsempfänger den Vorschlägen zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten können muss. Ob und inwieweit die dort genannten Fristen abgelaufen sind, entscheidet die zuständige Agentur für Arbeit. Im Regelfall dürfte es sich hierbei um Fälle handeln, in denen die Bezieher von Arbeitslosengeld an einer Leistung zur Teilhabe teilnehmen.

Der arbeitslose Versicherte beziehungsweise die arbeitslose Begleitpersonen haben hierüber einen Nachweis in Form des Bewilligungs- und Aufhebungsbescheides der Agentur für Arbeit zu führen. Die Erstattung erfolgt dann direkt an die berechtigte Person; eine Erstattung an die Agentur für Arbeit ist nicht vorzunehmen.

Erstattung des Verdienstausfalls von Beziehern von ALG II

Bei Beziehern von Arbeitslosengeld II werden die personenbezogenen Leistungen auf Antrag des Trägers der Grundsicherung für Arbeitsuchende erstattet, sofern dieser nach Ablauf der in § 7 Abs. 4a SGB II genannten Fristen (grundsätzlich drei Wochen im Kalenderjahr) weitergezahlt hat. Ferner werden die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge erstattet. Die Erstattung erfolgt an den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende.

Erstattung des Verdienstausfalls von Beziehern von Krankengeld

Es erfolgt keine Erstattung von Krankengeld mit Beiträgen an die Krankenkasse, da der Tatbestand der Arbeitsunfähigkeit weiter bestehen bleibt.

Aufwendungen für Begleitpersonen

Ist der Versicherte/Leistungsberechtigte behinderungsbedingt nicht in der Lage, die Fahrt vom Wohnort zum Ort der Untersuchung (bei einem Gutachter) und zurück selbständig durchzuführen, sind Aufwendungen für eine Begleitperson (zum Beispiel der Ehegatte) nur erstattungsfähig, wenn die Notwendigkeit der Begleitung ärztlich bescheinigt worden ist. Die Entscheidung über die Notwendigkeit einer Begleitperson ist im Einzelfall durch den begutachtenden Arzt zu treffen und dem Rentenversicherungsträger zu bescheinigen.

Auf Antrag des Antragstellers oder Leistungsempfängers kann auch der von einer erforderlichen Begleitperson in der Zeit der Begleitung nachgewiesene Verdienstausfall erstattet werden (AGDR 2/2002, TOP 12).

Berufsmäßiger Dolmetscher als Begleitperson bei ärztlichen Untersuchungen

Bei ärztlichen Untersuchungen kann ein berufsmäßiger fremdsprachlicher Dolmetscher auf Kosten des Versicherungsträgers hinzugezogen werden, wenn ohne Dolmetscher die Untersuchung mangels ausreichender Verständigungsmöglichkeit nicht durchgeführt werden kann. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Dolmetschers kann aber nur der untersuchende Arzt beurteilen (AGZWSR 1/86, TOP 30). War die Hinzuziehung eines berufsmäßigen fremdsprachlichen Dolmetschers notwendig, richtet sich die Vergütung der Leistung nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Die Kostenübernahme entspricht dem derzeitigen Vergütungsverfahren von Gebärdensprachdolmetschern; insoweit wird auf die entsprechenden Ausführungen im GRA zu § 19 SGB X, Abschnitte 3.1.1 bis 3.1.4 verwiesen.

Berufsbetreuer als Begleitperson bei ärztlichen Untersuchungen

Die Begleitung von Betreuten durch Berufsbetreuer zu gemäß §§ 61, 62 SGB I angeordneten Terminen oder Untersuchungen ist eine Tätigkeit, die dazu dient, Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Damit wird sie von der pauschalen Honorierung des § 5 Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) umfasst. Ein Anspruch auf Aufwendungsersatz nach § 65a SGB I besteht nicht (Verbindliche Entscheidung des Bundesvorstandes der Deutschen Rentenversicherung Bund in RVaktuell 12/2014).

Ist der Betreute, der einen Sozialleistungsantrag gestellt hat oder Sozialleistungen bezieht, nicht in der Lage, zu einem nach §§ 61, 62 SGB I angeordneten Termin allein zu erscheinen, handelt es sich bei der Begleitung durch den Berufsbetreuer um eine Tätigkeit, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Bewilligung oder Ablehnung von rechtlichen Ansprüchen steht und damit zu den originären Aufgaben des Berufsbetreuers gehört. Diese Tätigkeit der Berufsbetreuer ist damit von der pauschalierten Honorierung des VBVG umfasst.

Ein Anspruch auf Ersatz von Fahrt-/Reisekosten für Berufsbetreuer als Begleitpersonen zu nach §§ 61, 62 SGB I veranlassten Terminen besteht nicht. Nach § 5 Abs. 5 VBVG sind mit den Stundensätzen auch die Ansprüche auf Ersatz anlässlich einer Betreuung entstandener Aufwendungen abgegolten. Damit sind sämtliche Aufwendungen eines Berufsbetreuers, die im Zusammenhang mit der Betreuung entstehen, über das VBVG abgegolten.

Haushaltshilfe

Sollte im Einzelfall zur Sicherstellung der Mitwirkung von Antragsteller oder Leistungsempfänger ausnahmsweise die Bereitstellung einer Haushaltshilfe erforderlich sein, richtet sich die Kostenerstattung nach den Grundsätzen über die Gewährung von Haushalts- oder Betriebshilfe und Kinderbetreuungskosten wegen der Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder einer Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne des § 74 SGB IX (weitere Einzelheiten siehe GRA zu § 74 SGB IX).

Erscheinen ohne Aufforderung

§ 65a Abs. 2 SGB I sieht zusätzlich die Möglichkeit des Aufwendungsersatzes für den Fall vor, dass der Antragsteller oder Leistungsberechtigte ohne Aufforderung persönlich erscheint oder sich untersuchen lässt und sich nachträglich herausstellt, dass diese Maßnahme notwendig gewesen ist. Auch hier besteht kein Rechtsanspruch auf Aufwendungsersatz, es ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Kostenerstattung erfolgt auch nur in Härtefällen.

Eine nicht verlangte Mitwirkung wird nachträglich insbesondere dann als notwendig zu erachten sein, wenn der Antragsteller oder Leistungsberechtigte einem entsprechenden Verlangen des Leistungsträgers zuvorkommt, aber auch dann, wenn die persönliche Erörterung oder die jeweilige Untersuchung zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen und den Fortgang der Sache gefördert hat.

Erweist sich die unverlangte Mitwirkung als unnötig, darf der Leistungsträger keinen Aufwendungsersatz zahlen, da insoweit kein Ermessen eingeräumt ist.

Beispiel 1: Mitwirkung des Antragstellers oder Leistungsempfängers

(Beispiel zu Abschnitt 4)

Der Rentenversicherungsträger fordert einen Versicherten anlässlich eines Antrages auf Gewährung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation auf, sich beim medizinischem Dienst begutachten zu lassen.

Der Antragsteller folgt der Einladung. Soweit er Kenntnis hat, beantwortet er die vom Arzt gestellten Fragen zur Anamnese und lässt anschließend die für die Untersuchungszwecke erforderlichen diagnostischen Maßnahmen an sich vornehmen.

Lösung:

Für unvermeidbare Aufwendungen, die dem Versicherten aufgrund der Wahrnehmung dieses Untersuchungstermins entstanden sind, kann Ersatz nach § 65a Abs. 1 SGB I geleistet werden.

Beispiel 2: Fehlende Mitwirkung des Antragstellers oder Leistungsempfängers

(Beispiel zu Abschnitt 4)

Der Rentenversicherungsträger ordnet anlässlich eines Antrages auf Bewilligung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit die psychologische Begutachtung des Rentenbewerbers an.

Der Antragsteller erscheint zwar zum vereinbarten Termin, verweigert aber die Teilnahme an dem für die Untersuchungszwecke erforderlichen psychologischen Gespräch, ohne hierfür Gründe geltend machen zu können, die entsprechende Mitwirkungspflichten nach § 65 SGB I ausschlössen.

Lösung:

Der Versicherte ist dem Verlangen des Leistungsträgers nach Erfüllung von Mitwirkungspflichten im Sinne des § 62 SGB I nicht nachgekommen, sodass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Auslagenersatz unbeschadet der Einhaltung des Termins nach § 65a Abs. 1 SGB I nicht erfüllt sind.

Beispiel 3: Erstattung Verdienstausfall

(Beispiel zu Abschnitt 7.3.2)

Beantragt wird die Erstattung eines nachgewiesenen Verdienstausfalles für eine Begleitperson. Die Notwendigkeit einer Begleitperson ist ärztlich bescheinigt worden.

Der zeitliche Umfang für die ärztliche Untersuchung einschließlich der An- und Abreise beträgt 5 Stunden.

Für diesen Zeitumfang weist die Begleitperson nach, dass der Arbeitgeber eine Kürzung des Netto-Verdienstes in Höhe von 225,00 EUR vorgenommen hat.

Lösung:

Erstattungsfähig ist das Nettoarbeitsentgelt, begrenzt auf die jeweils geltende Beitragsbemessungsgrenze (BBG). Die kalendertägliche BBG beträgt im Jahr 2019 223,33 EUR.

Der geltend gemachte Verdienstausfall in Höhe von 225,00 EUR ist somit zu begrenzen auf 223,33 EUR.

SGB X vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469, 2218)

Inkrafttreten: 01.01.1981

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 8/2034

Die Vorschrift wurde durch Artikel  2 § 28 Nummer 5 des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren - vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1469) mit Wirkung ab 01.01.1981 in das SGB I eingefügt. In den neuen Bundesländern sowie in dem Teil des Landes Berlin, in dem das Grundgesetz bisher nicht galt, ist die Vorschrift am 01.01.1991 in Kraft getreten.

Die Regelung berücksichtigt die in §§ 61 und 62 SGB I enthaltenen Obliegenheiten, die den Antragsteller oder Leistungsberechtigten wirtschaftlich unzumutbar belasten könnten. Darüber hinaus stellt die Vorschrift sicher, dass ein fehlendes Verlangen des zuständigen Leistungsträgers nach §§ 61 oder 62 SGB I dem Antragsteller oder Leistungsberechtigten nicht zum Nachteil gereicht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass ein persönliches Erscheinen oder eine Untersuchungsmaßnahme notwendig war.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 65a SGB I