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§ 43 SGB I: Vorläufige Leistungen

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

Die Abschnitte 1.1 und 1.2 der GRA wurden ergänzt.

Dokumentdaten
Stand26.06.2017
Erstellungsgrundlage in der Fassung des Art. 2 SGB X vom 04.11.1982 in Kraft getreten am 01.07.1983
Rechtsgrundlage

§ 43 SGB I

Version002.00

Inhalt der Regelung

Besteht ein Anspruch auf Sozialleistungen und ist zwischen mehreren Leistungsträgern streitig, wer zur Leistung verpflichtet ist, kann der unter ihnen zuerst angegangene Leistungsträger vorläufig Leistungen erbringen, deren Umfang er nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmt (§ 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I). Er hat, soweit ein Anspruch besteht, vorläufig Leistungen zu erbringen, wenn der Berechtigte dies beantragt (Rechtsanspruch); die vorläufigen Leistungen beginnen in diesen Fällen spätestens nach Ablauf eines Kalendermonats nach Eingang des Antrages (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB I).

Für die hiernach zu erbringenden Leistungen gelten nach § 43 Abs. 2 SGB I die Bestimmungen über die Anrechnung von Leistungsvorschüssen und ihre Erstattung (§ 42 Abs. 2 und 3 SGB I) entsprechend. Ein Erstattungsanspruch gegen den Empfänger der vorläufigen Leistungen steht nur dem zur Leistung verpflichteten Träger zu, so zum Beispiel dann, wenn die endgültige Leistung geringer ausfällt als die vorläufige. Das gilt nicht für Sach- und Dienstleistungen.

Durch die Vereinbarungen der Rentenversicherungsträger hat § 43 SGB I bei Ungewissheit über die Zuständigkeit der Rentenversicherungsträger untereinander nur geringe Bedeutung (vergleiche Abschnitt  3).

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

§ 43 Abs. 2 SGB I enthält einen Verweis auf die Regelung des § 42 Abs. 2 und 3 SGB I hinsichtlich der Anrechnung von Leistungsvorschüssen und der Erstattung durch den Leistungsberechtigten bei geringerer endgültiger Leistung. § 102 SGB X regelt den Erstattungsanspruch des vorleistenden Trägers gegen den leistungspflichtigen Träger.

Allgemeines

§ 43 SGB I ist am 01.01.1976 in Kraft getreten und gilt bei laufenden Geldleistungen unabhängig vom Eintritt des Leistungsfalles für Bezugszeiten ab 01.01.1976. Im Beitrittsgebiet ist die Vorschrift ab 01.01.1991 anzuwenden (Einigungsvertrag Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet D Abschnitt III Nummer 1).

Die Vorschrift gilt für alle Leistungsarten (auch Dienst- und Sachleistungen) nach dem SGB (vergleiche § 11 SGB I) und für alle Leistungsträger (§ 12 SGB I), nicht aber für das Jugend- und Sozialhilferecht.

Die Vorschrift des § 43 SGB I hat im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung nur für die Rentenansprüche Bedeutung.

Für den Bereich der Leistungen zur Teilhabe enthält § 14 SGB IX eine eigene Zuständigkeitsregelung. § 43 SGB I kann nur dann Anwendung finden, wenn die Zuständigkeit zwischen Trägern, die nicht in § 6 SGB IX genannt sind (zum Beispiel Integrationsamt), ungeklärt ist.

Vereinbarungen der Rentenversicherungsträger zur Verfahrensweise bei Zweifeln über die Zuständigkeit

Schon vor Inkrafttreten des SGB I am 01.01.1976 haben die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung eine Vereinbarung geschlossen, die regelt, wer im Falle eines Zuständigkeitsstreites die Leistungen vorläufig zu erbringen hat. Diese Vereinbarung geht sogar über die Regelungen des § 43 SGB I hinaus und gilt für Rentenanträge.

Vereinbarung der Rentenversicherungsträger über die Zuständigkeiten (Beschluss auf der 17. Sitzung des Rentenausschusses des VDR am 21./22.02.1973, TOP 2):

1.Ist der zunächst angegangene Rentenversicherungsträger im Ungewissen über seine Zuständigkeit, so soll er - sofern der Rentenanspruch selbst nicht zweifelhaft ist - über den Leistungsanspruch entscheiden und die Rente unter Hinweis auf die ungeklärte Zuständigkeit zahlen.
2.1Rentenanträge, die an einen anderen Versicherungsträger mit Rücksicht auf dessen vermeintliche Zuständigkeit abgegeben worden sind, sollen von diesem ungeachtet der Zuständigkeitsfrage nach Grund und Höhe des Anspruchs abschließend rechtsmittelfähig beschieden werden. Erst dann soll, wenn der die Rente feststellende Träger sich für nicht zuständig hält, mit dem abgebenden Träger die Zuständigkeitsfrage geklärt werden.
2.2Ist die Zuständigkeit der Bundesknappschaft strittig, so soll der Träger der AnV beziehungsweise der ArV, an den der Rentenantrag abgegeben worden ist, über den Leistungsantrag lediglich dem Grunde nach entscheiden. Die Rente soll in diesem Fall dem Berechtigten unter Hinweis auf die ungeklärte Zuständigkeit nur vorschussweise gezahlt werden.
3.Zu Unrecht gezahlte Rentenbeträge sollen im Verhältnis der beteiligten Versicherungsträger zueinander nicht erstattet werden.
4.Das Verfahren nach Ziffer 1 bis 3 findet keine Anwendung, wenn die Zuständigkeit einer Verbindungsstelle gegeben ist.

Zahlungsvoraussetzungen

Voraussetzung für die Zahlung einer vorläufigen Leistung ist, dass

  • der Anspruch auf Sozialleistungen besteht (alle materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen sind geklärt),
  • zwischen mehreren Leistungsträgern (mindestens zweien) strittig ist, wer die Leistung zu erbringen hat (die sich nach § 125 ff. SGB VI richtende Zuständigkeit ist ungeklärt).

Wenn auf den ersten Blick erkennbar ist, dass der zuerst angegangene Leistungsträger nicht zuständig ist, ist kein Anwendungsfall des § 43 SGB I gegeben. In diesem Fall ist unter Beachtung der Zuständigkeitsregelungen die Abgabe an den zuständigen Leistungsträger erforderlich. Es gibt allerdings Fälle, in denen die Zuständigkeit strittig sein kann, zum Beispiel bei der Abgrenzung von knappschaftlichen Tätigkeiten. Auch beim Auffinden weiterer Versicherungsunterlagen, die einen Wechsel der Zuständigkeit nach sich ziehen, soll vorerst die Entscheidung über den Rentenantrag ergehen. In solchen Fällen findet § 43 SGB I Anwendung. Als zuerst angegangen gilt ein Versicherungsträger, wenn ihm ein konkreter Leistungsantrag zugegangen ist. Die Bitte um Auskunft im Sinne von § 15 SGB I reicht hierfür nicht aus.

Höhe der vorläufigen Leistungen

Entgegen der Regelung aus § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB I, wonach der zuerst angegangene Leistungsträger die Leistung nach pflichtgemäßem Ermessen festzusetzen hat, enthalten die Vereinbarungen der Rentenversicherungsträger eine für den Berechtigten günstigere Regelung. Danach hat auch der sich für unzuständig haltende Leistungsträger die Leistung in der gesetzlich vorgesehenen Höhe festzustellen. Hier wird demnach im Normalfall keine Vorschussleistung, sondern gleich die endgültige Rentenhöhe festgesetzt.

Bei Ermessensleistungen (§ 40 Abs. 2 SGB I) gilt § 43 SGB I mit der Maßgabe, dass der zuerst angegangene Leistungsträger die aus seiner Sicht bestehende Leistungspflicht des zuständigen Leistungsträgers nach den für diesen maßgebenden Normen zu beurteilen und das Ergebnis dieser Prüfung in seine eigenen Ermessenserwägungen einzubeziehen hat.

Verfahren nach Abschluss des Zuständigkeitsstreits

Sobald die Ungewissheit über die Zuständigkeit beigelegt ist, stellt der zuständige Leistungsträger die endgültige Leistung fest. Der vorleistende Träger stellt die vorläufige Leistung ein. Die vom vorleistenden Träger erbrachten Leistungen wirken gemäß § 107 SGB X im Verhältnis zwischen Leistungsberechtigten und leistungspflichtigem Träger als Erfüllung. Dem vorleistenden Träger steht gegen den leistungspflichtigen Träger nach § 102 SGB X ein Erstattungsanspruch zu. Der Leistungsberechtigte hat nach § 43 Abs. 2 SGB I nur ausnahmsweise Erstattung zu leisten, und zwar dem leistungspflichtigen Träger insofern, als die endgültige Leistung geringer ausfällt als die vorläufige Leistung.

Die vorgenannten Ausführungen bezüglich Erstattungsanspruch und Erstattung bei geringerer Leistung gelten im Hinblick auf die Vereinbarungen der Rentenversicherungsträger (siehe Abschnitt 3) nicht für Rentenanträge!

§ 43 bei Leistungen zur Teilhabe

§ 43 SGB I hat für Leistungen zur Teilhabe wenig Bedeutung, da die Spezialvorschrift des § 14 SGB IX der allgemeinen Vorschrift des § 43 SGB I vorgeht. § 14 Abs. 1 SGB IX sieht vor, dass der Rehabilitationsträger, bei dem die Leistung zur Teilhabe beantragt wurde, innerhalb von 2 Wochen festzustellen hat, ob er nach den für ihn geltenden Leistungsgesetzen für die Leistung zuständig ist. Stellt er fest, dass er nicht zuständig ist, leitet er den Antrag unverzüglich an den nach seiner Auffassung zuständigen Rehabilitationsträger weiter. Dieser hat auch bei Unzuständigkeit über den Rehabilitationsantrag zu entscheiden. Liegt ein Rehabilitationsbedarf vor, hat er die Leistung zu erbringen und kann gemäß § 14 Abs. 4 SGB IX einen Erstattungsanspruch bei dem tatsächlich zuständigen Leistungsträger geltend machen. Versäumt der erstangegangene Rehabilitationsträger die für die Weiterleitung vorgesehene Zwei-Wochen-Frist, ist eine Weiterleitung nicht mehr möglich und die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträger ist gegeben. Ein Erstattungsanspruch kann nicht mehr geltend gemacht werden. § 14 SGB IX gilt für alle in § 6 SGB IX genannten Träger.

Sozialgesetzbuch (SGB ) – Art. II – Übergangs- und Schlussvorschriften zum Zehnten Buch Sozialgesetzbuch sowie weitere Änderungen von Gesetzen vom 04.11.1982 (BGBl. I S. 1450)

Inkrafttreten: 01.07.1983

Quelle zum Entwurf: BT-Drucksache 9/95 und 9/1753

Absatz 3 der Vorschrift, der die Rechtsanwendung für den Erstattungsanspruch der Leistungsträger untereinander regelte, wurde gestrichen.

Sozialgesetzbuch (SGB) - Allgemeiner Teil – vom 11.12.1975 (BGBl. I S. 3015)

Inkrafttreten: 01.01.1976

Quelle zum Entwurf: BR-Drucksache 305/72

Die Vorschrift gehört nach der Gesetzesbegründung zu den Regelungen, die die Nachteile, die aus der institutionellen Gliederung des Sozialleistungssystems für den Einzelnen entstehen können, abwenden sollen.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 43 SGB I