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§ 33 SGB I: Ausgestaltung von Rechten und Pflichten

Änderungsdienst
veröffentlicht am

20.08.2019

Änderung

Redaktionelle Anpassung wegen Verweisen auf das SGB IX (BTHG)

Dokumentdaten
Stand14.02.2018
Erstellungsgrundlage in der Fassung des SGB I vom 11.12.1975 in Kraft getreten am 01.01.1976
Rechtsgrundlage

§ 33 SGB I

Version001.00

Inhalt der Regelung

Mit der Regelung gibt der Gesetzgeber den Leistungsträgern vor, wie die Handlungsspielräume der Sozialverwaltung inhaltlich auszufüllen sind. In diesem Sinne bindet § 33 SGB I auch die Rechtsprechung.

Die Sozialleistungsträger werden verpflichtet, ihre Verwaltungsentscheidungen möglichst weitgehend an den Umständen des Einzelfalles zu orientieren. Einzubeziehen sind auch Wünsche des Leistungsberechtigten oder Verpflichteten, soweit sie angemessen sind. Dabei dürfen Rechtsvorschriften der jeweiligen Entscheidung nicht entgegenstehen.

Ergänzende/korrespondierende Regelungen

Die Vorschrift ergänzt den Regelungsbereich des § 39 SGB I, indem sie für das Auswahlermessen des Leistungsträgers hinsichtlich der Art und des Umfangs von Rechten und Pflichten individuelle Leitgesichtspunkte aufstellt.

Sie ist zudem Grundlage der im Rehabilitationsrecht beheimateten spezialgesetzlichen Regelung des § 8 SGB IX - Wunsch- und Wahlrecht der Rehabilitanden - und wird durch diese konkretisiert, siehe GRA zu § 8 SGB IX.

Definition und Bedeutung

Die Regelung bezieht sich auf nach Art oder Umfang unbestimmte Rechte und Pflichten der Leistungsberechtigten. Rechte und Pflichten sind dann nicht im Einzelnen bestimmt, wenn die zu Grunde liegende Norm (Gesetz, Verordnung oder autonomes Recht) dem Leistungsträger einen Ermessensspielraum hinsichtlich ihrer Art beziehungsweise ihres Umfangs belässt. Dies betrifft jedoch nicht das Zustandekommen oder die Anwendung eines Rechtes oder einer Pflicht, sondern regelt nur deren Ausgestaltung im Einzelnen.

Im Recht der Rentenversicherung gibt es nur wenige Bereiche, in denen Ermessensentscheidungen zu treffen sind.

Zwar sind auch die Leistungen zur Teilhabe (Leistungen zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben) nach §§ 9 ff. SGB VI - als die wichtigsten Ermessensleistungen - durch den Gesetzgeber weitgehend ausgestaltet. Um aber die Eigenverantwortlichkeit und Selbstbestimmung der leistungsberechtigten behinderten oder von Behinderung bedrohten Menschen zu stärken sowie ihren persönlichen Lebenssituationen und Lebensvorstellungen entsprechen zu können, werden den Betroffenen erweiterte Wunsch- und Wahlrechte, zum Beispiel hinsichtlich des Ortes der Rehabilitation (Rehabilitationseinrichtung), eingeräumt.

Hierbei sind die Umstände des Einzelfalls, wie Art und Schwere der Erkrankung sowie Indikation und Ausstattung der Einrichtung und gegebenenfalls entstehende Mehrkosten (zum Beispiel durch höhere Vergütungssätze) sowie geltendes Leistungsrecht, zu berücksichtigen. Siehe GRA zu § 8 SGB IX und GRA zu § 13 SGB VI.

Praktische Bedeutung hat die Regelung auch im Zusammenhang mit den Informations- und Betreuungspflichten der Sozialleistungsträger (zum Beispiel nach §§ 14, 16 Abs. 3, 17 Abs. 1 SGB I sowie § 20 SGB X). Auch in diesem Bereich sind die Leistungsträger aufgrund des Individualisierungsgebots zu besonderer Beachtung der Umstände des Einzelfalls und der persönlichen Belange der Betroffenen verpflichtet.

Zu berücksichtigende Kriterien

Die Leistungsträger sind bei Entscheidung und Ausführung der Leistungen zur Berücksichtigung der persönlichen (individuellen) Verhältnisse des Betroffenen, seines Bedarfs und seiner Leistungsfähigkeit sowie der örtlichen Gegebenheiten verpflichtet.

Persönliche Verhältnisse

Die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen sind insbesondere durch Alter, Geschlecht, Religion, Familie, Beruf, Umfeld und den Gesundheitszustand bestimmt.

Bedarf

Die individuelle Bedarfslage umfasst alle Maßnahmen, Leistungen und Schritte, die zum Erreichen des jeweiligen, konkret gefassten Ziels erforderlich sind. Maßgebend ist der objektive Bedarf, nicht das subjektive Begehren des Betroffenen. Denn die Bedarfslage orientiert sich auch an seiner individuellen Leistungsfähigkeit.

Leistungsfähigkeit

Leistungsfähigkeit bezieht sich auf das gesundheitliche und/oder wirtschaftliche Vermögen des Betroffenen, bei der Bestimmung von Art und Umfang seiner Rechte und Pflichten sowie ihrer Wahrnehmung mitzuwirken (siehe beispielsweise §§ 60 ff. SGB I).

Örtliche Gegebenheiten

Die örtlichen Gegebenheiten beziehen sich auf das gewöhnliche Umfeld des Betroffenen (Wohnort, Ort der Erwerbstätigkeit, gewöhnlicher Aufenthalt).

Vorbehalt

Die zu berücksichtigenden Kriterien stehen unter dem Vorbehalt, dass sie sich innerhalb des für den jeweiligen Leistungsträger geltenden Leistungsrechts bewegen und ihnen keine Rechtsvorschriften entgegenstehen, unabhängig davon, ob diese in formellen Gesetzen, Rechtsverordnungen, Satzungen oder Richtlinien der Leistungsträger enthalten sind. Besondere Bedeutung kommt dabei den Regelungen über die Aufgabenerfüllung der Sozialversicherungsträger nach den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 69 Abs. 2 SGB IV sowie - für die RV - § 13 Abs. 1 SGB VI) zu.

Dies gilt auch für die Berücksichtigung angemessener Wünsche des Leistungsberechtigten. Deren Beurteilung erfordert ein Abwägen von eventuellen Verwaltungsmehraufwänden und Mehrkosten (beziehungsweise Mindereinnahmen) der Sozialversicherungsträger. Zudem muss es rechtlich überhaupt möglich sein, den betreffenden Wunsch zu erfüllen. Insofern geht das im Teilhaberecht verankerte Wunsch- und Wahlrecht nach § 8 SGB IX darüber hinausgehend von berechtigten Wünschen aus, siehe GRA zu § 8 SGB IX

SGB I vom 11.12.1975 (BGBl. I S. 3015)

Inkrafttreten: 01.01.1976

Quelle zum Entwurf: BR-Drucksache 305/72

§ 33 SGB I ist am 01.01.1976 in Kraft getreten (Art. II § 23 Abs. 1 SGB I) und gilt seither unverändert. Nach dem Einigungsvertrag ist im Beitrittsgebiet die Vorschrift ab 01.01.1991 anzuwenden (Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet D Abschnitt III Nummer 1 Buchstabe a Einigungsvertrag).

Die Achtung vor der Menschenwürde und der Freiheit des Einzelnen, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Ziel, so leistungsfähig wie möglich zu arbeiten, geben der Sozialverwaltung nach der Gesetzesbegründung auf, im Interesse der berechtigten und verpflichteten Bürger auf die Umstände des Einzelfalls Rücksicht zu nehmen, sofern und soweit das Gesetz einen Handlungsspielraum lässt.

Zusatzinformationen

Rechtsgrundlage

§ 33 SGB I